Obwohl die Anzahl an ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten steigt, gibt es bereits jetzt in Deutschland einen enormen Mangel an Hausärzten und -ärztinnen. Ein Problem, welches sich in den nächsten Jahren zunehmend verschärfen wird. Die Uniklinik RWTH Aachen hat mit der Eröffnung der Campuspraxis in der Uniklinik ein Lösungsmodell entwickelt: Ziel ist es, mit einer optimalen Verzahnung von ambulanten und stationären Behandlungsmöglichkeiten unter einem Dach und einer umfangreichen Digitalisierung dem Problem des Fachkräftemangels entgegenzuwirken. Am 22.05.2024 war Bundestagsabgeordneten Sabine Grützmacher (Bündnis 90/Die Grünen) zu Besuch, um sich von dem innovativen Praxiskonzept zu überzeugen.
Seit Januar 2024 hat die Campus Praxis unter der Leitung von Johanna Dorn geöffnet. Die Grundidee dahinter: „Die Praxis der Zukunft“ sein. Digitale Prozesse, eine schnelle Versorgung und Anbindung sowie die enge Zusammenarbeit mit der Forschung sollen bei der Umsetzung des Konzepts helfen.
Digitalisierung als Lösungsansatz für die Versorgungsengpässe bei Hausarztpraxen
„Es gibt bereits jetzt einen großen Unterschied zwischen der ärztlichen Versorgung auf dem Land und in der Stadt, der sich in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen wird. Mit unserer Onlinesprechstunde möchten wir diesem, soweit es machbar ist, entgegenwirken. Eine adäquate Digitalisierung der Praxen sorgt auch für einen besseren Austausch zwischen unterschiedlichen Fachärztinnen und -ärzten und eine Entlastung der Praxen“, erklärt Johanna Dorn. Durch genutzte Telematikinfrastruktur wie die elektronische Krankschreibung, das elektronische Rezept oder einen digitalen Anamnesebogen verkürzt die Praxis bereits Prozesse. Eine Terminvergabe findet zum großen Teil unkompliziert online statt, in Notfällen können sich Patienten aber auch täglich in der Akutsprechstunde von 11:00 – 12:00 Uhr vorstellen. Die medizinischen Fachangestellten sollen so gut wie möglich durch digitalisierte Prozesse entlastet werden. Durch die Nutzung eines Kommunikationsdienstes für das Medizinwesen (KIM) ist es für die Praxis bei einer Überweisung grundsätzlich realisierbar eine sichere und zweifachverschlüsselte Datenübermittlung online zu gewährleisten. Das ist allerdings nur durchführbar, wenn auch andere Praxen KIM nutzen. So können beispielsweise Befundübermittlungen sicher digital stattfinden. „Die Campuspraxis ist ein tolles Beispiel, wie Digitalisierung unterstützen kann, trotz Herausforderungen wie Fachkräftemangel und demographischem Wandel weiterhin eine gute Erreichbarkeit anbieten zu können - bei gleichzeitig sicherer und verschlüsselter Kommunikation. Ein Beispiel, dass auch für den ländlichen Raum spannend sein wird“, erklärt Sabine Grützmacher.
Anbindung an die Uniklinik bietet optimale Forschungsmöglichkeiten und Patientenversorgung
Für die Implementierung neuer digitaler Anwendung steht die Praxis in engem Kontakt mit dem Institut für Digitale Allgemeinmedizin, geleitet von Univ.-Prof. med. Martin Mücke. Die Zusammenarbeit fördert die Unterstützung und optimale Anwendung digitaler Systeme und bietet zusätzlich die Gelegenheit tragfähige Versorgungsmodelle vertiefend zu erforschen. Schon jetzt ist die Praxis weit besser digitalisiert als die meisten hausärztlichen Niederlassungen in Deutschland. Durch die Nähe zum Institut ist auch zukünftig eine zeitnahe Implementierung neuer digitaler Anwendungen gesichert.
Die Anbindung an die Uniklinik gibt dem Team die Möglichkeit, die Patientinnen und Patienten schnell, umfassend und optimal zu versorgen. „Wir haben hier vor Ort natürlich den Vorteil, direkt an die Uniklinik angebunden zu sein, insbesondere arbeiten wir eng mit den Kolleginnen und Kollegen der Notaufnahme zusammen, auch die Wege zu den Fachärztinnen und -ärzten sind kürzer. Das erleichtert eine schnelle Übergabe und lückenlose Versorgung unserer Patientinnen und Patienten“, erklärt Dorn.
Gesundheitsfördernde Behandlungsräume für Patientinnen und Patienten
Die Zukunftsvision der Praxis zieht sich auch durch die Raumgestaltung: Diese ist mit ihren geschwungenen Formen und hellen Farben nicht nur äußerst modern und futuristisch, sondern auch gesundheitsfördernd, erzählt die Ärztin: „Wir haben in unseren Räumlichkeiten die Inneneinrichtung mithilfe des Design-Instituts für Gesunde Gestaltung aus Darmstadt nach wissenschaftlichen Aspekten konzipiert. So schaffen wir durch bestimmte Formen und Farben in den doch eher kleinen Räumlichkeiten eine beruhigende Praxisatmosphäre und unterstützen beispielsweise durch ergonomische Stühle eine gesunde Haltung.“ Auch weitere gesundheitsfördernde Aspekte wie zum Beispiel Licht und Musik sollen in Zusammenarbeit mit dem Institut für Digitale Allgemeinmedizin weiter erforscht und umgesetzt werden.