Im Vorfeld eines geplanten operativen Eingriffs mit Narkose findet ein Narkoseaufklärungsgespräch statt. Dieses Gespräch dient der Aufklärung der Patientinnen und Patienten über die geplanten Maßnahmen und den damit einhergehenden Risiken. Zudem erfolgt eine körperliche Untersuchung und die Erhebung der individuellen Krankenvorgeschichte.
Dieses Gespräch ist für Patientinnen und Patienten häufig mit langen Anfahrts- und Wartezeiten sowie, bei fehlenden Befunden, auch mit einer erneuten Vorstellung in der Klinik verbunden. In Zeiten der COVID-19-Pandemie ist zudem bei jedem Klinikaufenthalt ein potentielles Infektionsrisiko gegeben. Auf Seiten des medizinischen Personals besteht ein hoher Dokumentationsaufwand bei gleichzeitig zunehmender Arbeitsverdichtung und bestehendem Fachkräftemangel.
Entwicklung der Softwareplattform
„Wir haben in Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten, Juristinnen und Juristen sowie Softwareentwicklerinnen und Softwareentwicklern den Organisationsablauf sowie das Konzept für die Software-Umsetzung einer Teleprämedikationsambulanz erarbeitet. Die entwickelte Software versetzt Patientinnen und Patienten in die Lage, von zu Hause aus das Narkoseaufklärungsgespräch zu führen und alle damit verbundenen Informationen zu sichten und Dokumente auszufüllen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. Rolf Rossaint, Direktor der Klinik für Anästhesiologie. Der Vorteil für das medizinische Personal: der Dokumentationsaufwand verringert sich deutlich und es werden weitere Maßnahmen der Prozessoptimierung implementiert.
Erster Einsatz der Softwareplattform in klinischer Studie
Im Zeitraum von April bis Oktober 2020 wurden 111 Patientinnen und Patienten mit elektiven Eingriffen in der Uniklinik RWTH Aachen mittels der Teleprämedikations-software für die Narkose vorbereitet. „Sowohl aus ärztlicher als auch aus Sicht der Patientinnen und Patienten stieß das Projekt auf große Zustimmung", berichtet Jan Wienhold, Doktorand der Klinik für Anästhesiologie. Fast alle Patientinnen und Patienten (98 Prozent) würden sich wieder für eine telemedizinische Aufklärung entscheiden. Die durchschnittliche Zeitersparnis durch entfallende Wegzeiten betrug 60 Minuten. Die beteiligten Anästhesistinnen und Anästhesisten bewerteten das Verfahren als gleichwertig zur Vorortaufklärung (94 Prozent) und würden auch in Zukunft gerne Patientinnen und Patienten auf diesem Wege auf die Narkose vorbereiten.
Die Ergebnisse der klinischen Studie wurden im European Journal of Anaesthesiologypubliziert (Wienhold et al., Teleconsultation for preoperative evaluation during the coronavirus disease 2019 pandemic – A technical and medical feasibility study, Eur J Anaesthesiol 2021).
Weitere Entwicklungsschritte und Ausblick
Aktuell arbeitet das Team um Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Michael Czaplik an der technischen Weiterentwicklung der Software sowie an der Implementation von künstlicher Intelligenz zur Prozessoptimierung und Steigerung der Patientensicherheit. Kliniken aus ganz Deutschland bekundeten bereits Interesse an dem System, das nun zur Einführung in die klinische Routine bereitsteht.