Am 14. Januar 2023 fand die jährliche Fortbildungsveranstaltung „Aktuelle Hämatologie“ statt, welche von Dr. Christiane Lange und Prof. Ullrich Graeven von den Kliniken Maria Hilf, Prof. Dr. Sascha Dietrich von der Uniklinik Düsseldorf und Prof. Dr. Tim Brümmendorf von der Uniklinik RWTH Aachen organisiert wurde. Die Veranstaltung konnte nach zweijähriger pandemiebedingter Pause nun wieder vor Ort in Mönchengladbach stattfinden. Der Bedarf an dieser Form der Fortbildung war an der großen Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer abzulesen: Es waren über 120 Personen gekommen.
Das Programm war in drei Teile aufgeteilt, das Programm finden Sie hier. Die Aachener Beiträge unserer Klinik zu den Themen AML (Prof. Dr. Edgar Jost), MPN/CML (Prof. Dr. Steffen Koschmieder) und Nicht-maligne Hämatologie (PD Dr. Fabian Beier) werden im Folgenden zusammengefasst.
Akute Myeloische Leukämie (AML)
Zu den neuen Entwicklungen im Bereich der akuten myeloischen Leukämie (AML) referierte Prof. Jost. Beim ASH 2022 wurde die Daten der „DaunoDouble“-Studie von Prof. Röllig aus Dresden vorgestellt, in die auch zahlreiche Patientinnen und Patienten aus der Uniklinik RWTH Aachen eingeschlossen wurden. In der Studie konnte nachgewiesen werden, dass für Patientinnen und Patienten, die an Tag 15 nach Beginn der Chemotherapie eine sehr deutliche Reduktion der Leukämiezellen auf < 5 % aufweisen, keine zweite Induktionstherapie erfolgen muss. Es kann unmittelbar die Konsolidierung angestrebt werden. Die Klinik für Hämatologie, Onkologie, Hämostaseologie und Stammzelltransplantation (Med. Klinik 4) der Uniklinik RWTH Aachen bietet den Patientinnen und Patienten mit einer AML weiterhin die Teilnahme an den Studien der Studienallianz Leukämie (SAL) an, die zu erheblichen Fortschritten in der Behandlung der AML beitragen. Weitere Infos finden Sie auf unserer Studienseite.
Für Patientinnen und Patienten mit einer AML, die Mutationen im TP53 Gen aufweisen, ist die Prognose weiterhin nicht gut. Beim ASH 2022 berichtete Prof. Naval Daver vom MD Anderson Cancer Center in Houston von den Erfolgen des Einsatzes des Anti-CD47-Antikörpers Magrolimab in Kombination mit Azacytidin und Venetoclax bei diesen Patientinnen und Patienten. In der Uniklinik RWTH Aachen können seit einigen Monaten ebenfalls Patientinnen und Patienten in eine Studie eingeschlossen werden, die eine Therapie mit Magrolimab ermöglicht. Weitere Infos finden Sie auf unserer Studienseite.
Prof. G. Ehninger aus Dresden stellte beim ASH Daten zu einem neuen Konzept zum Einsatz von CAR T-Zellen bei Patientinnen und Patienten mit AML und Nachweis von CD123 auf der Zelloberfläche vor. Der Effekt der CAR T Zellen und insbesondere potenzielle Nebenwirkungen der Therapie können durch den Einsatz eines Verbindungsmoleküls zwischen der CAR T-Zelle und der Leukämiezelle unterbunden werden. Auch an der Med. Klinik IV wird diese Studie ab Februar 2023 für Patientinnen und Patienten mit rezidivierter AML geöffnet. Wir freuen uns über die Vorstellung und Zuweisung von entsprechenden Patientinnen und Patienten, für die ansonsten wenige erfolgversprechende Therapieoptionen zur Verfügung stehen. Weitere Infos finden Sie auf unserer Studienseite.
Myeloproliferative Neoplasien/Chronische myeloische Leukämie (MPN/CML)
Prof. Koschmieder fasste interessante Neuerungen bei der Chronischen Myeloischen Leukämie (CML) und den Philadelphia-negativen Myeloproliferativen Neoplasien (MPN) zusammen.
Mit der ASCEND-CML Phase 2-Studie wurden Daten zur Firstline-Therapie mit dem ABL-Myristoyl-Pocket-Inhibitor Asciminib (zugelassen bereits in der Drittlinie der CML) vorgestellt, die ein hohes Ansprechen bei guter Verträglichkeit zeigten. Aktuell läuft in unserer Klinik die randomisierte ASC4START Phase 3-Studie, welche die Wertigkeit von Asciminib vs. Nilotinib in der Erstlinien-Therapie der CML prüft. Weitere Infos finden Sie auf unserer Studienseite. Patientinnen und Patienten können in Aachen eingeschlossen werden. Eine weitere Studie stellte die 5-Jahres-Daten zu Olverembatinib, einem TKI mit Aktivität gegen die BCR-ABL-T315I-Mutation, vor.
Zur Polycythämia vera (PV) wurden die Ergebnisse der Low-PV-Studie vorgestellt, die eine verbesserte Effektivität von Ropeginterferon-alpha gegenüber reiner ASS- und Aderlasstherapie nachweisen konnte. Ob nun alle Low-risk Patienten mit PV künftig mit Ropeginterferon behandelt werden sollten, ist derzeit noch nicht geklärt. Für Hochrisiko-Patienten mit PV ist Ropeginterferon zugelassen, allerdings besteht noch Unklarheit über die Häufigkeit seltener Nebenwirkungen. Hier ist ein Einschluss von Patientinnen und Patienten in die Post-Approval-Safety-Studie (PASS) möglich. Des Weiteren wurden die 5-Jahres-Daten der MAJIC-PV Studie vorgestellt, die eine Verbesserung einer Ruxolitinib-Therapie vs. bestverfügbarer Therapie zeigen konnte. Schließlich wurden die laufenden Studien mit dem Hepcidin-Analogon Rusfertide zur Eliminierung von Aderlässen bei Patientinnen und Patienten mit PV vorgestellt. Auch hier können in Aachen Patienten eingeschlossen werden. Weitere Infos finden Sie auf unserer Studienseite.
Zur Therapie der Essentiellen Thrombozythämie (ET) wurden die Ergebnisse der retrospektiven Analyse des Bioregisters der German Study Group für MPN (GSG-MPN) zur guten Wirksamkeit von pegyliertem Inferferon-alpha (pegIFNa) anhand einer großen Kohorte von ET-Patienten (n=127) dargestellt. Dies unterstreicht die Empfehlungen in den Leitlinien zum (off-label-)Einsatz von pegIFNa bei der ET. Zudem stellte Prof. Koschmieder die Zwischenanalyse der ET-Patienten aus der RuxoBEAT-Studie vor, in der bisher das hämatologische Ansprechen mit Ruxolitinib und bestverfügbarer Therapie nicht signifikant unterschiedlich ist, auch wenn Ruxolitinib zu einer Verbesserung der ET-assoziierten Symptome führte.
Schließlich fasste Prof. Koschmieder die Ergebnisse der aktuellen Studien zur Therapie der Primären Myelofibrose (PMF) zusammen, insbesondere zu den Kombinationen aus JAK-Inhibitor und neuen Substanzen, sowie die präklinischen Daten zu einem neuartigen monoklonalen Antikörper gegen mutiertes Calreticulin, der im Rahmen der Plenary Session vorgestellt wurde.
Nicht-maligne Hämatologie, Aplastische Anämien
Zu den Entwicklungen im Bereich der klassischen, oder auch nicht- malignen Hämatologie referierte PD Dr. Beier.
Zum Thema ITP wurden auf dem ASH 2022 zwei Studien präsentiert. Zum einen die Studie von Ollier et al., welche sich dem Thema der Thrombozytengrenzwerte bei ITP-Patienten unter Plättchenaggregation im Rahmen des französischen CARMEN–Registers annahm. Hier konnte gezeigt werden, dass unter Thrombozyten von 20/nl die Häufigkeit von Blutungskomplikation deutlich zunimmt.
Die Studie von Bromme et al., welche im Rahmen der Plenary Session präsentiert wurde, zeigte die Daten der ADVANCE4-Studie zum neuen Antikörper Efgartigimod. Dieser Antikörper hemmt das Recycling der IgG-Antikörper im Endosom von Endothelzellen, worunter es zu einem raschen Abfall der Immunglobulin-Spiegel kommt. Die Kollegen um Catherine Bromme konnten zeigen, dass es bei diesen schon schwer vorbehandelten ITP-Patienten zu einem signifikanten und klinisch relevanten Anstieg der Thromboztenwerte kam.
Im Bereich der Hämostaseologie wurden im Rahmen der Late-breaking Abstract-Session Daten der ALIFE2-Studie gezeigt. Hier konnte nachgewiesen werden, dass die Gabe von niedermolekularem Heparin bei Frauen mit Fehlgeburtlichkeit und angeborenen Thrombophilien, keinen Vorteil gegenüber einer Standardbehandlung ohne Heparin aufweist.
Ebenfalls in der der Late-breaking Abstract-Session wurden Daten zum oralen Komplementinhibitor Iptacopan im Rahmen der APPLY-PNH-Studie, an der auch die Med. Klinik 4 der Uniklinik Aachen teilgenommen hat, vorgestellt. Hier konnte im Vergleich zur klassischen Therapie mit einem C5-Inhibitor mit dem oralen Faktor B–Inhibitor Iptacopan gezeigt werden, dass es zu einem deutlichen Anstieg des Hb-Wertes, häufig >12 g/dl, und einer deutlichen Abnahme der Fatigue kam.
Weitere Folgestudien und First- und Secondline-Studien bei der PNH sind zur Zeit aktiv und offen für die Rekrutierung neuer Patienten an der Uniklinik RWTH Aachen. Weitere Infos finden Sie auf unserer Studienseite.
Zum Thema Aplastische Anämie wurden zwei Abstracts vorgestellt, zum einen Real-World-Daten zur Aplastischen Anämie nach Immuncheckpint-Inhibition. Hier konnte gezeigt werden, dass eine Therapie mit Steroiden zu einem langfristigen Ansprechen führt, was in deutlichem Gegensatz zur idiopathischen Aplastischen Anämie steht, bei der Steroide therapeutisch keine Bedeutung haben. Des Weiteren wurde ein Abstract vorgestellt, das zum ersten Mal nachweisen konnte, dass Avatrombopag als neuer TPO-Rezeptor-Agonist auch bei der refraktären Aplastischen Anämie Wirkung zeigt.
Generell besteht die Möglichkeit, Patienten mit Neudiagnose, aber auch schon länger bestehender Aplastischer Anämie ins AA-BMF-Register in Aachen einzuschließen. Hier rekrutiert aktuell noch die EMAA-Studie, welche den Stellenwert vorn Eltrombopag bei Patienten mit moderater Aplastischer Anämie untersucht. Weitere Infos finden Sie auf unserer Studienseite.
Aktuelle klinische Studien der Med. Klinik IV der Uniklinik RWTH Aachen
Unsere aktuell laufenden Studien und die jeweiligen Ansprechpartner sind hier zusammengefasst.