Univ.-Prof. Dr. rer. nat., Dipl.-Phys. Cord Spreckelsen im Interview
Herr Prof. Spreckelsen, wo arbeiten Sie aktuell und was sind Ihre Aufgaben?
Prof. Spreckelsen: Aktuell arbeite ich am Universitätsklinikum Jena. Genauer am dortigen Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Datenwissenschaften. Ich bin in Jena Professor für Medizinische Informatik. Meine Aufgabe sind vielfältig und abwechslungsreich: Ich kümmere mich um ein zurzeit zehnköpfiges Team. Wir führen medizininformatische Forschungsprojekte durch – vor allem zu KI-Anwendungen im Gesundheitswesen und zum Datenschutz, von denen aktuell fünf drittmittelgefördert sind. Wir publizieren und berichten dazu auf Fachtagungen. Ich biete Lehrveranstaltungen sowohl für (Zahn-)Medizinstudierende als auch für Informatik-/Mathematikstudierende an, bin zusätzlich an zwei berufsbegleitenden Studiengängen beteiligt und betreue Master- und Doktorarbeiten. Dazu kommen Gremienarbeit an der Fakultät und die Beteiligung als Trainer in unserem Medizindidaktik-Programm.
Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?
Prof. Spreckelsen: Ursprünglich habe ich Physik studiert. Nach dem Studienabschluss habe ich mich – vor allem aus Neugier – fachlich umorientiert: Als mir eine befristete Stelle in einer medizininformatischen Arbeitsgruppe in Heidelberg angeboten wurde, habe ich diese angetreten. Als dann der Arbeitsgruppenleiter als Institutsdirektor nach Aachen berufen wurde, konnte ich dort weiterarbeiten, habe im Jahr 2000 promoviert und mich dann – deutlich später – 2015 für das Fach Medizinische Informatik habilitiert. Danach habe ich mich nacheinander auf drei ausgeschriebene Professuren beworben und landete dabei – schön der Reihe nach – erst auf dem dritten, dann dem zweiten und zuletzt auf dem ersten Platz der jeweiligen Berufungsliste, so dass ich im Sommer 2019 in Jena anfangen konnte.
Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie an Aachen denken?
Prof. Spreckelsen: Die entspannte und internationale Stimmung in der Stadt. Ich habe mich sofort dort wohlgefühlt und Freunde gefunden.
Wenn Sie an Ihre Zeit an der Uniklinik RWTH Aachen zurückdenken, was ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Prof. Spreckelsen: Wenn ich an die Zeit am Uniklinikum zurückdenke, fällt mir der erste Schreck ein, als mir klar wurde, dass dieses gestrandete Riesenraumschiff vor mir mein neuer Arbeitsplatz sein würde. Das Gebäude, die kurzen Wege zu Kolleginnen und Kollegen sowie zu den Hörsälen und Seminarräumen haben mir aber nach etwas Gewöhnung dann doch jahrelang gut gefallen. Und vor allem denke ich immer gern zurück an das Team des Instituts für Medizinische Informatik, in dem ich so lange mitarbeiten durfte. Das ist über die Jahre auch ein Kommen und Gehen von Studierenden, Auszubildenden, wissenschaftlich Tätigen kombiniert mit einem Kernteam, sodass ich Gelegenheit hatte, mit vielen sehr unterschiedlichen Menschen ins Gespräch zu kommen. Spannend.
Sehr beeindruckt hat mich ein Klausurwochenende in Vaals, auf dem die nächsten Schritte zur Umsetzung des Aachener Modellstudiengangs Medizin diskutiert wurden. Ich war als Lehrbeauftragter des Instituts dabei – und ehrlich gesagt sehr überrascht, wie es damals dem Studiendekan Prof. Rossaint und Herrn Prof. Kaufmann gelungen ist, eine ganze Fakultät mitzuziehen.
Was war das schönste Erlebnis an der Uniklinik RWTH Aachen, an das Sie sich erinnern?
Prof. Spreckelsen: Die Medizinstudierenden haben mir den Lehrpreis PAULA verliehen. Das hat mich damals richtig glücklich gemacht: Ich hatte das Gefühl, dass meine Arbeit bei denen gut angekommen ist, für die sie gedacht war.
Was konnten Sie aus der Uniklinik RWTH Aachen für Ihre berufliche Zukunft mitnehmen?
Prof. Spreckelsen: Eigentlich alles, was ich dort lernen und ausprobieren durfte: Zu Beginn konnte ich weder Vorlesungen halten, noch wissenschaftliche Papers schreiben, Projektanträge formulieren, ein Team leiten oder Abschlussarbeiten bewerten. Ich durfte über die Fakultät sogar am Masterstudiengang Medical Education teilnehmen, wofür ich immer noch dankbar bin. Inzwischen mache ich als Dozent in diesem Studiengang mit und zwar im Aachener Studiengangsmodul. So kann ich weiterhin trotz des Standortwechsels wenigstens noch etwas zurückgeben.
Welche Rolle hat die Zeit an der Uniklinik Aachen für Ihren beruflichen Weg gespielt?
Prof. Spreckelsen: Die Zeit an der Uniklinik hat die Schlüsselrolle gespielt. Ohne die Jahre dort könnte ich meinen Beruf nicht ausüben. Ich wüsste nicht, wie das geht.
Bitte beenden Sie folgenden Satz: Aachen ist für mich …
Prof. Spreckelsen: … immer noch das, was Heimat am nächsten kommt.
Wenn Sie heute nochmal studieren könnten, würden Sie irgendetwas anders machen?
Prof. Spreckelsen: Nicht grundsätzlich. Mein Studienfach (Physik) war äußerst interessant. Von dem, was ich gelernt habe, konnte ich mehr als gedacht auch in der medizinischen Informatik gebrauchen. Könnte ich noch einmal neu ansetzen, würde ich definitiv versuchen, etwas schlauer zu lernen beziehungsweise würde zu Beginn Kurse zum „Lernen lernen“ besuchen. Heute weiß ich aus der Didaktik, wie viel effizienter, effektiver und angenehmer das Lernen sein kann. Definitiv würde ich am Erasmus-Programm teilnehmen. Das gab es damals noch nicht.
Rückblickend auf Ihre Studienzeit: Was würden Sie Studierenden mit auf den Weg geben?
Prof. Spreckelsen: Ich habe im Studium neben meinem Kernfach noch in andere Fächer hineingeschnuppert und an deren Lehrveranstaltungen teilgenommen: Philosophie, Kunstgeschichte, Sprachkurse. Das ist heute durch die Hektik der modularen Studiengänge schwerer, glaube ich. Aber ich würde empfehlen, es wenigstens zu versuchen. Außerdem hat sich manche Panne im Moment ihres Auftretens sehr groß und peinlich angefühlt – langfristig war sie dann völlig belanglos. Diese Erfahrung müssen zwar wohl alle individuell machen, aber ich möchte sie zur Ermutigung hier spoilern.
Was tun Sie, um einen Ausgleich zu Ihrer Arbeit zu schaffen?
Prof. Spreckelsen: Möglichst Unspektakuläres: Spazierengehen, Lesen, Malen, Zeit mit der Familie verbringen.