Bitte mehr Respekt — Aggressionen in Arztpraxen nehmen zu

Rettungskräfte und Ordnungshüter werden immer öfter Opfer von Gewalt. Spektakuläre Fälle wie zuletzt in der Silvesternacht in Berlin werden von den Medien aufgegriffen und heiß diskutiert. Aber auch andere Berufsgruppen, denen einst noch  ehrfürchtig begegnet wurde, müssen heute mit Aggressionen und Respektlosigkeit kämpfen – jeden Tag und fernab vom Interesse der Medien. Dazu zählen unter anderem Ärztinnen und Ärzte und mit ihnen ihre Praxismitarbeitenden, die  als erste Ansprechpartner die Wut der Patientinnen und Patienten abfangen müssen

­MFA und ZFA sind das Gesicht der Praxis. Sie sind die ersten, mit denen Patientinnen und Patienten in der Praxis in Kontakt treten. Zunehmend sind sie auch diejenigen, an denen sich Aggressionen und Wut entladen. Studien zeigen: Die Gewalt in Arztpraxen wächst. Seltener ist es gleich körperliche Gewalt, vielmehr sind es verbale Aggressionen, Beschimpfungen oder einfach nur unfreundliches und forderndes Verhalten gegenüber dem Praxispersonal. Der Trend in Richtung  Respektlosigkeit bis hin zu roher Gewalt hält seit Jahren an und wurde durch die Pandemie noch verschärft. Maskenpflicht, Coronatests, Impftermine – es gab und gibt viele Gründe, warum die Nerven mancher Patienten in der Praxis  zerreißen. Egal ob es nun Coronaleugner sind, die keine Maske tragen möchten, oder Menschen, die den Impftermin nicht abwarten können. 

Bundesweite Studie belegt die Gewalt

Die bundesweite Befragungsstudie „Aggression und Gewalt gegen Allgemeinmediziner und praktische Ärzte“ der TU München zeigte schon vor ein paar Jahren auf, dass nahezu alle befragten Hausärzte (92 Prozent) im Laufe ihrer ärztlichen Tätigkeit schon einmal Aggression von Seiten der Patienten erlebten. Leichtere Aggressionsformen wie Beleidigungen und Beschimpfungen bekamen knapp 80 Prozent zu hören. Dabei traf es die Frauen mit 83 Prozent signifikant häufiger als  ihre männlichen Kollegen. Von Bedrohung, Einschüchterung, leichter körperlicher Gewalt, sexueller Belästigung, Sachbeschädigung, Diebstahl und Verleumdung auf Arztportalen im Internet berichteten 81 Prozent der Befragten. Einen Angriff  mit einem Gegenstand oder einer Waffe, sexuelle Übergriffe oder Stalking erlebten immerhin 23 Prozent der Allgemeinärzte im Laufe ihrer Karriere. Auch wenn für die Studie nur Ärztinnen und Ärzte befragt wurden, die Praxismitarbeiterinnen und -mitarbeiter sind gleichermaßen betroffen. Auch die Polizei bestätigt die zunehmende Gewalt gegen MFA/ZFA und ärztliches Personal. Neben verbalen Angriffen und Handgreiflichkeiten ist vor allem das Phänomen von Hassnachrichten per E-Mail und Telefon auf dem Vormarsch. Ein besonders bekannter Fall ist der der österreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr. Sie wurde so massiv von Coronagegnern bedroht und gestalkt, dass sie sich schließlich das Leben nahm. 

Schwierige Entwicklung

Diese extremen Fälle sind zwar selten, zeigen aber, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft entwickelt. Die Individualisierung der Menschen lässt die Kompromissbereitschaft, die Akzeptanz von Regeln und die Bereitschaft für ein  geordnetes Miteinander sinken. Der Respekt vor dem anderen ist nicht mehr selbstverständlich und damit geht der Kitt der Gesellschaft verloren. Im Netz ist es einfach, einen rauen Ton anzuschlagen, ungeniert seine Meinung kundzutun – auch wenn diese vielleicht sehr speziell ist. Es macht den Anschein, dass dieses Verhalten nun zunehmend in die Realität überschwappt.

Was können MFA/ZFA und andere Praxisangestellte tun, wenn sich Patienten im Ton vergreifen oder aggressiv werden? Selbstverständlich ist jede Situation speziell, doch einige Verhaltensweisen können helfen, konfliktgeladene  Situationen zu deeskalieren:

  • Bleiben Sie ruhig und freundlich und zeigen Sie keine Gefühle. Lassen Sie sich nicht vom aggressiven Verhalten provozieren und anstecken. So bewahren Sie die Kontrolle über die Situation. 
  • Versuchen Sie, nicht herablassend oder arrogant zu wirken, und sprechen Sie keine Drohungen aus. Das könnte das aggressive Verhalten der anderen noch befeuern.
  • Achten Sie auf Ihre Körpersprache. Bleiben Sie aufrecht und selbstbewusst und wenden Sie sich nicht von einem aggressiven Patienten ab. Beobachten Sie ihn genau, um einzuschätzen, wie zurechnungsfähig er ist.
  • Halten Sie ausreichend Abstand vom Aggressor. Vermeiden Sie unbedingt Körperkontakt. 
  • Behalten Sie den Überblick und suchen Sie sich eine Position im Raum, von der aus sie ihn problemlos verlassen können.
  • Bitten Sie Ihre Kollegen um Unterstützung. 
  • Scheuen Sie sich nicht, in Extremsituationen die Polizei zur Hilfe zu rufen. 
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