Ein Forscherteam unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. med. Rafael Kramann, Direktor der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, rheumatologische und immunologische Erkrankungen (Medizinische Klinik II) hat einen bedeutenden Fortschritt im Kampf gegen die überschießende Vernarbung von gesundem Gewebe bei chronischen Nierenerkrankungen und Herzinfarkten erzielt.
Die überschießende Vernarbung von Gewebe nach einer Schädigung wird in Fachkreisen Fibrose genannt. Hierbei kommt es durch die vermehrte Ablagerung von Proteinen, auch extrazelluläre Matrix genannt, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Organfunktion. Fibrose stellt das Endstadium vieler chronischer Erkrankungen dar und ist an ungefähr 45 Prozent aller Todesfälle beteiligt. Bis heute gibt es keine zielgerichteten Medikamente zur Behandlung der Fibroseentstehung.
Dr. med. Konrad Hoeft und Lars Koch identifizierten einen neuen therapeutischen Ansatz, der die Fibroseentstehung in Organen nach einer Schädigung verringern und dadurch die Organfunktion erhalten soll. Ihre Ergebnisse publizierten sie kürzlich in der international renommierten Fachzeitschrift „The Journal of Clinical Investigation“ (JCI).
Entdeckung: ADAMTS12 als Schlüsselfaktor der Fibroseentstehung
In ihrer Studie konzentrierten sich die Forscher auf die Mechanismen, die zur Aktivierung der Gruppe von Zellen führen, die den Hauptteil der extrazellulären Matrix produziert – den Fibroblasten. Hierbei entdeckte das Team das Protein ADAMTS12, welches sich in den betroffenen Zellen stark vermehrt wiederfand.
Um die Rolle von ADAMTS12 genauer zu erforschen, haben die Wissenschaftler Mäuse durch Experimente genetisch verändert und das ADAMTS12-Gen entfernt. Bei Mäusen ohne ADAMTS12 zeigte sich sowohl nach einer Nierenschädigung als auch nach einem Herzinfarkt eine deutlich geringere Fibrosebildung (Vernarbung). “Besonders interessant ist, dass die Mäuse ohne ADAMTS12 zudem eine erheblich bessere Pumpleistung aufwiesen – ein Parameter, der für das Überleben nach Herzinfarkt von großer Bedeutung ist", erklärt Dr. med. Konrad Hoeft.
Spaltung von HMCN1 beschleunigt die Fibroblasten-Einwanderung ins Gewebe
Im Anschluss an ihre ersten Entdeckungen vertieften die Forscher ihre Untersuchung der molekularen Mechanismen in Zellkulturmodellen. Sie nutzten die Genschere CRISPR-Cas9, um das Gen ADAMTS12 gezielt auszuschalten und anschließend sowohl eine aktive Version, welche andere Proteine schneidet, als auch eine gezielt inaktivierte Form des Proteins wieder in die Zellen einzubringen.
„Die Beobachtung dieser Zellen über mehrere Stunden, zeigte klar, dass die aktive Form von ADAMTS12 die Bewegung der Fibroblasten deutlich beschleunigt – ein entscheidender Faktor für die Entstehung von Narbengewebe“, so Lars Koch.
Ein Durchbruch gelang den Forschern, als sie den Grund für diesen Effekt entdeckten. Zunächst war unklar, warum nur die aktive Form von ADAMTS12 die Zellmigration beeinflusste. Mithilfe der Massenspektrometrie, einer Technik zur gleichzeitigen Analyse zahlreicher Proteine, stießen sie auf HMCN1. Ein Protein, das in der Gegenwart von ADAMTS12 stark abnahm. „Unsere Hypothese war, dass ADAMTS12 HMCN1 spaltet und dadurch die Migration der Fibroblasten beschleunigt“, erläutert Koch. Diese Vermutung konnten die Forscher in weiteren Experimenten bestätigen. So konnten sie einen neuen, gezielt mit Medikamenten angreifbaren Mechanismus in der Fibroseentstehung entschlüsseln.
Auf dem Weg zur Medikamentenentwicklung
Die Forscher haben ihre Erkenntnisse bereits patentieren lassen. Nun soll der Ansatz in der Spinoff-Firma Sequantrix ausgearbeitet werden. Ziel des Aachener Start-ups ist es, nebenwirkungsarme und effektive Medikamente gegen die Fibrosebildung zu entwickeln. “Damit könnte in Zukunft die Funktion der Niere oder die Pumpleistung des Herzens nach einem Herzinfarkt erhalten werden“, sagt Univ.-Prof. Dr. med. Rafael Kramann. Die Spaltung von HMCN1 durch ADAMTS12 zu blockieren ist hierbei ein vielversprechender Ansatz.
Die vollständige Publikation finden Sie hier.