Das in der Klinik für Gastroenterologie, Stoffwechselerkrankungen und Internistische Intensivmedizin (Medizinische Klinik III) der Uniklinik RWTH Aachen beheimatete Alpha1-Team, das die Koordination der europäischen Studiengruppe für die Leberbeteiligung bei Alpha1-Antitrypsin-Mangel übernimmt, hat im renommierten Fachjournal Gastroenterology die jüngsten Ergebnisse zur Lebererkrankung bei leichtem Alpha1-Antitrypsin-Mangel veröffentlicht. Vor einem Jahr haben sie bereits einen Beitrag zur Leberbeteiligung bei schwerem Alpha1-Antitrypsin-Mangel in Gastroenterology publiziert.
Der Alpha1-Antitrypsin-Mangel ist unter den seltenen Erkrankungen eine der häufigsten Erbkrankheiten. Das Aachener Alpha1-Team unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. med. Pavel Strnad und Dr. med. Karim Hamesch forscht seit 2015 an der Leberbeteiligung dieser Systemerkrankung. Während bis zu 10 Prozent aller Europäer eine Mutation im Alpha1-Antitrypsin-Gen haben, tragen 2-4 Prozent eine Kopie der klassischen „Pi*Z“-Mutation (sogenannte Heterozygote). Obwohl diese Mutation recht verbreitet unter Kaukasiern ist, blieb ihre Relevanz hinsichtlich der Ausbildung einer Lebererkrankung bisher unklar. „Wir konnten erstmals in zwei großen und repräsentativen Kohorten das Ausmaß der Leberbeteiligung bei Trägern der relevantesten Alpha1-Antitrypsin-Mutation charakterisieren“, berichtet Carolin Victoria Schneider, Ärztin und Erstautorin der Publikation. „Im Vergleich zu Patienten, die zwei Pi*Z-Mutationen haben (homozygoter Pi*ZZ-Genotyp) sind die einfachen Pi*Z-Träger (heterozygoter Pi*MZ-Genotyp) zwar weniger betroffen, aber immer noch deutlich anfälliger für eine Leberschädigung als Personen ohne eine Alpha1-Antitrypsin-Mutation“, ergänzt Dr. Hamesch, ebenfalls Erstautor und koordinierender Studienarzt der europäischen Alpha1-Leber-Studiengruppe. Prof. Strnad, Letztautor und europäischer Studienleiter sowie leitender Oberarzt in der Medizinischen Klinik III der Uniklinik RWTH Aachen, fügt hinzu: „Ein relevanter Teil der Bevölkerung hat also ein Risiko, eine Leberschädigung zu entwickeln, insbesondere wenn Risikofaktoren wie übermäßiger Alkoholkonsum, Übergewicht oder Diabetes hinzukommen.“
Das europäische Referenzzentrum in Aachen konnte durch die Unterstützung der kollaborierenden Wissenschaftler und vor allem auch der Patientenvertreter und zuweisenden Lungenärzte die weltweit größte Kohorte an Alpha1-Patienten mit detaillierter Leber-Charakterisierung aufbauen. So sind mittlerweile in elf europäischen Ländern über 1.500 Probanden untersucht worden. Ein Teil der Ergebnisse der aktuellen Studie kam sogar aus Australien dazu. „Diese Daten haben wir mit einer populationsbasierten Kohorte mit fast 450.000 Teilnehmern ergänzt und auch hier zeigen die Pi*MZ-Träger erhöhte Leberwerte“, so Schneider. „Außerdem haben wir Untersuchungen in Leberbiopsien durchgeführt, um die Auswirkungen der Pi*Z-Mutation besser zu verstehen. Unter anderem deuten diese Daten darauf hin, dass die Diagnose allein anhand einer Leberbiopsie nicht sichergestellt werden kann und eine Genotypisierung von zentraler Bedeutung ist“, sagt Dr. Hamesch.
Prof. Strnad ist optimistisch: „Wir haben die Hoffnung, durch unsere Forschung das Bewusstsein für diese wenig erforschte Erkrankung zu steigern und den vielen Patienten mit Alpha1-Antitrypsin-Mangel Hilfestellung leisten zu können.“
Weitere Informationen zum Projekt und der europäischen Studiengruppe:
www.alpha1-leber.de
Übersichtsarbeit zum Alpha1-Antitrypsin-Mangel von Prof. Strnad im New England Journal of Medicine:
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMra1910234
Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. med. Pavel Strnad
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