Internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben gestern beim Europäischen Diabetes-Kongress in Barcelona die Ergebnisse der CAROLINA-Studie vorgestellt. Zeitgleich wurde die Studie im anerkannten Journal of the American Medical Association (JAMA) publiziert. Die weltweit durchgeführte Studie wurde von Univ.-Prof. Dr. med. Nikolaus Marx, Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen, gemeinsam mit einem Kollegen aus Dallas, USA geleitet. Das Forscher-Team um Prof. Marx konnte zeigen, dass die blutzuckersenkende Behandlung mit dem DPP4-Hemmer Linagliptin beim Typ-2-Diabetes in kardiovaskulärer Hinsicht ebenso sicher ist wie eine Therapie mit dem Sulfonylharnstoff Glimepirid. Das heißt: Gemessen an der Rate für die kombinierten Ereignisse kardiovaskulär bedingter Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall war der DPP4-Hemmer Linagliptin dem Sulfonylharnstoff Glimepirid nicht unterlegen.
Die Studie befasst sich mit einer seit über 50 Jahren bestehenden Diskussion zur kardiovaskulären Sicherheit von Sulfonylharnstoffen. In den 1960er Jahren hatten Wissenschaftler des University Group Diabetes Program (UGDP) eine Studie veröffentlicht, die darauf hinwies, dass ein Sulfonylharnstoff der ersten Generation das Risiko für die kardiovaskuläre Mortalität (CV) erhöht. Seitdem hat sich die Wissenschaft gefragt, ob sich Sulfonylharnstoffe negativ auswirken und die kardiovaskuläre Mortalitätsrate erhöhen. Dies herauszufinden, war Ziel der CAROLINA-Studie (CARdiovascular Outcome study of LINAgliptin versus glimepiride in patients with type 2 diabetes).
CAROLINA ist die einzige große Endpunktstudie, in der ein DPP4-Hemmer mit einem aktiven Wirkstoff, hier dem Sulfonylharnstoff Glimepirid, statt mit einem Placebo verglichen wurde. Die Studie wurde von 2010 bis 2018 an mehr als 600 Standorten in 43 Ländern durchgeführt. Teilnehmer waren 6.033 Patienten mit Typ-2-Diabetes und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko beziehungsweise einer manifesten Herz-Kreislauferkrankung. Die Teilnehmer hatten eine mediane Krankheitsdauer von 6,3 Jahren. Nach dem Zufallsprinzip erhielten sie entweder einmal täglich 5 Milligramm Linagliptin oder 4 Milligramm Glimepirid. Den Teilnehmern wurde empfohlen, die Studienmedikation zusätzlich zu ihren üblichen Diabetes-Medikamenten einzunehmen.
CAROLINA ist bislang die einzige CV-Sicherheitsstudie, die zwei häufig verwendete Diabetes-Medikamente verglichen hat, die beide den Glukosespiegel senken, dafür aber unterschiedliche Mechanismen nutzen. Zuvor hatte die gleiche Forschergruppe schon in der randomisierten CARMELINA-Studie gezeigt, dass Linagliptin in kardiovaskulärer Hinsicht ein sicheres Antidiabetikum ist. In dieser Studie war der DPP4-Hemmer bei 6.979 Patienten mit Typ-2-Diabetes und einem erhöhten Risiko für Herz- und/oder Nierenerkrankungen für die Dauer von 2,2 Jahren mit Placebo verglichen worden. Die kardiovaskuläre Sicherheit von Linagliptin entsprach der von Placebo.
Über 6,3 Jahre Nachbeobachtungszeit gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen Linagliptin und Glimepirid beim Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen. Bei Glimepirid bestand jedoch ein signifikantes und klinisch relevantes höheres Risiko für Hypoglykämie, das als leicht, mittelschwer, schwer oder stationär eingestuft wurde. Darüber hinaus wurde bei den Teilnehmern der Glimepirid-Gruppe eine leichte Gewichtszunahme beobachtet. Damit bestätigen die Ergebnisse der CAROLINA-Studie einen wichtigen, klinisch relevanten Sicherheitsvorteil von Linagliptin gegenüber Glimepirid, der laut Experten bei der Entscheidung für eine Therapieauswahl neben Kostenüberlegungen berücksichtigt werden sollte.
„Bezüglich der seit Jahrzehnten bestehenden Diskussion zur kardiovaskulären Sicherheit von Sulfonylharnstoffen zeigt unsere Studie, dass die aktuelle Generation von Sulfonylharnstoffen, insbesondere Glimepirid, nicht zu einem erhöhten kardiovaskulären Risiko führt. Daher sollte die Auswahl eines blutzuckersenkenden Medikamentes nicht länger von Bedenken hinsichtlich der kardiovaskulären Mortalität von Sulfonylharnstoffen beeinflusst werden“, so Univ.-Prof. Dr. med. Nikolaus Marx.