Helfen & Handeln in Notfällen

Wie man sich in einem Notfall Zuhause oder auf der Straße verhält, lernt man schon als Kind: Rufe die 112! Gleiches gilt, wenn ein Notfall in der Praxis eintritt: Eine Kollegin hat sich am heißen Tee verbrüht, ein Besucher liegt reglos in einem Flur, ein Patient erleidet einen Schwächeanfall. Jetzt gilt es, schnell die 112 zu rufen.

PD Dr. Jörg Brokmann, Leiter der Notaufnahme an der Uniklinik RWTH Aachen erklärt, wie man den Rettungsdienst richtig alarmiert: „Richtschnur sind die fünf W´s. Die erste Frage, die man beim Absetzen eines Notrufs beantworten sollte, ist die Frage nach dem Wo. Selbst wenn der Kontakt danach abbricht, weiß der Rettungsdienst, wohin er kommen muss“, weiß der Notarzt. Wichtig ist auch: Der Rettungswagen kommt nicht automatisch mit einem Notarzt. Wenn nicht ein Arzt aus der Praxis den Patienten in die Klinik begleitet, muss bei Bedarf ein Notarzt angefordert werden.

„Ebenfalls wichtig ist, bei aller Hektik einer Ausnahmesituation auf die Rückfragen der Feuerwehr zu warten und nicht gleich wieder aufzulegen“, sagt Brokmann weiter. „Nach Absetzen des Notrufs sollte man dann bei der verunglückten Person bleiben, Erste Hilfe und Beistand leisten bzw. gemeinsam auf den Rettungsdienst warten.“

Die fünf W's im Notfall:

  • Wo ist der Notfall?
  • Was ist geschehen?
  • Wie viele Verletzte/Betroffene sind zu versorgen?
  • Welche Verletzungen oder Krankheitszeichen haben die Betroffenen?
  • Wartet immer auf Rückfragen der Rettungsleitstelle!

Richtig reagieren

Herzinfarkt und Schlaganfall gehören zu den häufigsten Todesursachen in Europa. In einem Notfall sind oft Minuten oder sogar Sekunden entscheidend. Aber auch bei schweren Verletzungen wie Knochenbrüchen, bei Verbrennungen oder Vergiftungen kann und sollte man bereits erste Hilfsmaßnahmen ergreifen, während man auf den Rettungsdienst wartet. Nichts zu tun, darf keine Option sein. Das sagt auch Notfallmediziner Dr. med. Jörg  Brokmann, Leiter der Notaufnahme in der Uniklinik RWTH Aachen. „Handeln Sie!“, rät der Experte. „Gerade bei Schlaganfällen und Herzinfarkten gibt es keinen größeren Fehler, als keine Hilfe zu leisten.“ Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes dauert es in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich bis zu acht Minuten. Wenn in dieser Zeit bereits von Ersthelfern mit lebensrettenden Maßnahmen begonnen wurde, steigen die Überlebenschancen der Betroffenen im Schnitt um das Dreifache.

„Deutsche Ersthelfer handeln im Vergleich zu Menschen in anderen Staaten eher zögerlich“, weiß Dr. Brokmann. Während in Deutschland teilweise weniger als 20 Prozent der Menschen in einem Notfall lebensrettende Maßnahmen wie eine Herzdruckmassage einleiten, sind es beispielsweise in den Niederlanden doppelt so viele. „Auch deshalb hat die Kultusministerkonferenz bereits 2014 empfohlen, Schülerinnen und Schüler ab der siebten Klasse jährlich in Wiederbelebung zu schulen“, erklärt der Fachmann weiter. Die neue schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat dies gerade in ihrem Koalitionsvertrag aufgegriffen und festgelegt, dass Reanimation künftig an allen Schulen des Landes gelehrt werden soll. Nach aktuellen Zahlen des Deutschen Reanimationsregisters erleiden in Deutschland mindestens 50.000 Menschen pro Jahr außerhalb eines Krankenhauses einen Herz-Kreislaufstillstand, nur zehn Prozent überleben. Das unverzügliche Einleiten einer Herzdruckmassage könnte demnach 10.000 Menschenleben zusätzlich retten. Der Schulunterricht soll das nötige Wissen dazu vermitteln.

    Herzinfarkt

    Mögliche Symptome:

    • Starke Schmerzen
      Oft strahlen die Schmerzen in andere Körperregionen aus – zum Beispiel in die Arme, den Oberbauch, zwischen die Schulterblätter in den Rücken oder in den Hals und Kiefer.
    • Massives Engegefühl
      Meist tritt ein Herzinfarkt mit einem heftigen Druck oder einem sehr starken Einschnürungsgefühl im Herzbereich in Erscheinung. Viele Menschen mit einem Herzinfarkt haben das Gefühl, dass ihnen ein schweres Gewicht auf die Brust drückt.
    • Heftiges Brennen
      Oft handelt es sich bei den Schmerzen eines Herzinfarkts auch um ein stark brennendes Gefühl.
    • Übelkeit, Erbrechen, Atemnot und Schmerzen im Oberbauch
      Ein Herzinfarkt kann sich auch alleine mit sogenannten „unspezifischen Anzeichen“ bemerkbar machen. Zu unspezifischen Anzeichen zählen zum Beispiel Übelkeit, Atemnot, Schmerzen im Oberbauch und Erbrechen. Da solche Beschwerden auch  bei harmloseren Erkrankungen auftreten, wird empfohlen, immer dann den Rettungsdienst zu rufen, wenn diese unspezifischen Beschwerden in zuvor noch nie erlebtem Ausmaß auftreten.
    • Angstschweiß mit kalter, fahler Haut
      Häufig tritt bei einem Herzinfarkt zusätzlich Angst auf, die sich zum Beispiel mit einer blassen Gesichtsfarbe und Kaltschweißigkeit bemerkbar machen kann.kann.
       
      Was ist zu tun?

      112 wählen – Rettungsdienst rufen! Jede Minute zählt!

    • Ist der Betroffene bei Bewusstsein: Sprechen Sie mit ihm, beruhigen Sie ihn. Lockern Sie enge Kleidungsstücke (Krawatte, Hemdkragen) und lagern Sie ihn mit leicht erhöhtem Oberkörper auf einer harten Unterlage.
    • Ist der Patient nicht ansprechbar, atmet nicht und bewegt sich nicht, heißt das: Kreislaufstillstand. Schnelles Handeln ist jetzt wichtig.
    • 30 Mal Herzdruckmassage (Frequenz: 100 Mal pro Minute): Druckpunkt in der Mitte des Brustkorbes. Eine Hand flach auflegen, den Ballen der zweiten Hand darüber. Beim Eindrücken des Brustkorbes (mit gestreckten Armen) etwa fünf Zentimeter tief eindrücken. Häufigster Fehler: Es wird nicht kräftig genug gedrückt. Danach zweimal beatmen.
    • Kopf des Patienten überstrecken und zweimal Mund zu-Mund- (Nase zuhalten) oder Mund-zu-Nase-Beatmung (Mund zudrücken) durchführen und danach wieder 30 Mal Herzdruckmassage.
    • Weitermachen, bis der Notarzt kommt oder der Patient Abwehrbewegungen zeigt

    Schlaganfall

    Mögliche Symptome: 

    • Lähmungserscheinungen
      Plötzliche einseitige Lähmung oder Kraftminderung  ohne andere Ursache, insbesondere im Arm und/oder Bein
    • Taubheitsgefühl
      Einseitiges Taubheitsgefühl in Arm, Bein, Gesicht (taubes, pelziges oder kribbeliges Gefühl), einseitig  herabhängender Mundwinkel, Lähmung einer Gesichtshälfte
    • Sehstörungen
      Verschwommenes, doppeltes oder eingeschränktes Sehen bis hin zum vorübergehenden Sehverlust
    • Sprechstörungen
      Undeutliches Sprechen, Wiederholungen von Wörtern oder Silben, lange Pausen bis hin zum Verlust  des Sprachvermögens
    • Verminderte Ausdrucksfähigkeit
      Der Betroffene kann nicht mehr benennen, was er  möchte, oder äußert sich sinnlos
    • Verständnisstörungen
      Anweisungen werden nicht oder falsch umgesetzt
    • Plötzlich auftretende Gleichgewichtsstörungen und Schwindel 
    • Bewusstlosigkeit oder Erbrechen 
    • Starke Kopfschmerzen
      Setzen schlagartig ein und sind kaum zu ertragen –  typisch bei einer Gehirnblutung
       
      Was ist zu tun?

      112 wählen – Rettungsdienst rufen! Jede Minute zählt!

    • Den Betroffenen beobachten, nicht alleine lassen, ihn beruhigen und mit ihm sprechen.
    • Gegebenenfalls beengende Kleidung lockern, Zahnprothesen entfernen.
    • Nichts zu essen oder zu trinken geben, da das Schlucken gestört sein könnte!
    • Ist der Betroffene bei Bewusstsein, mit etwa 30 Grad erhöhtem Oberkörper ruhig lagern, zum Beispiel mit  einem Kissen im Rücken.
    • Bei Erbrechen oder Bewusstlosigkeit: Den Betroffenen in die stabile Seitenlage bringen, immer wieder Puls und Atmung kontrollieren.
    • Können Sie keinen Puls oder keine Atmung feststellen, legen Sie den Betroffenen auf  dem Rücken auf  eine harte Unterlage, zum Beispiel den Boden, und beginnen Sie unverzüglich mit den Wiederbelebungsmaßnahmen (siehe „Was ist zu tun bei Herzinfarkt?“).
    • Teilen Sie dem Notarzt beziehungsweise dem eintreffenden Rettungsdienst die beobachtete Symptomatik und die Vorerkrankungen des Patienten mit. Geben Sie, wenn möglich, auch eine Liste der Medikamente mit, die der Betroffene einnimmt, sowie die Uhrzeit des Auftretens der ersten Schlaganfallsymptome.