Projekt zu gewaltbetroffenen Männern erhebt seit Mitte 2016 Daten von 5.000 männlichen Patienten

Männer sind Täter – keine Opfer?

Projekt zu gewaltbetroffenen Männern erhebt seit Mitte 2016 Daten von 5.000 männlichen Patienten.

Die Zahlen der Vorgängerstudie (Gender Gewaltkonzept) waren ausschlaggebend für die Beantragung des Projektes „G.M.G.R.-Gewaltbetroffene Männer: Gesundheits- und Risikoverhalten“. So gaben von 5.000 befragten Patienten und Patientinnen 38 Prozent der männlichen Patienten an, bereits eine oder multiple Formen der Gewalt erlebt zu haben (Habel et al., 2016). Ob sich diese hohe Zahl erneut erheben lässt, in welche Formen der Gewalt sich diese Erfahrungen einteilen und auch, welchen Gesundheits- und Risikobelastungen die Männer ausgesetzt sind, erhebt das G.M.G.R.-Projekt seit Mitte 2016.

Im Rahmen der Studie sollen jedoch nicht nur Fakten aufgenommen werden. So bildet das langfristige Ziel die Entwicklung einer gendergerechten Intervention für Männer, welche Gewalt erlebt oder ausgeübt haben und eine adäquate Hilfestellung suchen. Während der Laufzeit wird dies durch die Implementierung einer webbasierten und face-to-face Modellberatung erprobt, welche Betroffenen eine erste Anlaufstelle zur Bewältigung ihrer Erlebnisse bietet. Das webbasierte Beratungsangebot wird durch eine Livechatberatung und spezifische, individuell unterstützende Informationen geboten. Gefördert wird das Modellprojekt, welches in Zusammenarbeit mit dem „GESINE-Netzwerk gegen häusliche Gewalt“ durchgeführt wird, unter anderem von der Europäischen Union und dem Land Nordrhein-Westfalen mit insgesamt ca. 1,5 Millionen Euro.

Gewalterleben und –ausübung von Männern stehen kombiniert nur selten im Fokus

Durch eine Prävalenzerhebung von 5.000 männlichen Patienten in der Uniklinik RWTH Aachen und weiteren Krankenhäusern in der Städteregion sowie im Ennepe-Ruhr-Kreis, welche derzeitig durchgeführt wird, möchte sich das Team der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Univ.-Prof. Dr. rer. soc. Ute Habel aus der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik zuerst einen Überblick über die prozentualen Daten der Häufigkeiten und Arten der vorkommenden Gewaltformen gewinnen. Hierbei werden sowohl die Ausübungen der jeweiligen Gewaltart als auch das Erleben dieser befragt. Um dieses Ziel zu erreichen, werden ambulante und stationäre Patienten gebeten, freiwillig einen anonymen Fragebogen zu beantworten. Die Aufnahme des Gewalterlebens, gerade bei Männern, hat einen bedeutenden Hintergrund: „Männer werden in der Regel nur als Täter gesehen. Studien zeigen, dass nahezu ein Viertel aller Männer mit klinisch behandelten Krankheitsbildern Opfer körperlicher Gewalt waren“, erläutert Ute Habel. Auch sei wissenschaftlich belegt, dass Männer häufig durch übergesteigerte Aggressionen und Suchtverhalten auffielen, wenn nicht verarbeitete Gewalterfahrungen vorliegen, so Ute Habel weiter.

Ganzheitliche Betrachtung der männlichen Persönlichkeit

Um die Prävalenzerhebung zu unterstützen, sind ebenfalls ca. 100 Interviews mit Probanden aus der Bewährungshilfe Aachen angedacht, um einen vertieften Einblick in die Persönlichkeitsstrukturen gewaltausübender Männer zu erlangen. Hierzu werden nicht nur die Inhalte des Prävalenzbogens deckungsgleich erhoben, sondern auch fundierte psychologische Instrumente zur Erhebung möglicher psychopathologischer Züge und psychiatrischen Auffälligkeiten eingesetzt.

Durch das Vorgängerprojekt ist ebenso bekannt, dass nur wenige Männer Unterstützung durch Beratungsstellen suchen. Oftmals werden solche Erfahrungen, seien sie durch Gewalterleben oder Gewaltausübung bedingt, verdrängt und nicht adäquat verarbeitet (Habel et al., 2016, Evler et al., 2016). Aus diesem Grund liegt der Fokus des Projektes auf der Entwicklung einer angemessenen Intervention, welche für Betroffene leicht auffindbar ist und deren Bedürfnissen entspricht.

Um Betroffenen kurze Wege und schnelle Unterstützung zu ermöglichen, wurde im Rahmen des Modellprojekts ein Beratungsraum direkt im Eingang der Uniklinik RWTH Aachen eingerichtet, in welchem beratende Unterstützung angeboten wird.

Weitere Informationen zum Modellprojekt „G.M.G.R. – Gewaltbetroffene Männer – Gesundheits- und Risikobelastungen“ bekommen Sie unter www.gmgr.de, E-Mail: info@gmgr.de.

Projektleiterin:

Prof. Dr. Ute Habel
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik 
Uniklinik RWTH Aachen

Literatur:

Evler, A., Scheller, M., Wagels, L., Bergs, R., Clemens, B., Kohn, N., Pütz, A., Voss, B., Schneider, F., Habel, U. (2016). Gendergerechte Versorgung von Gewaltopfern. Das Modellprojekt „Gender Gewaltkonzept“ an der Uniklinik Aachen. In: Nervenarzt, 87, 746-752.

Habel, U., Wagels, L., Ellendt, S., Scheller, M., Evler, A., Bergs, R., Clemens, B., Pütz, A., Kohn, N., Schneider, F. (2016). Gewalt und Gesundheit. Symptome, Folgen und Behandlung betroffener Patientinnen und Patienten. In: Bundesgesundheitsblatt, 59, 17-27.

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