Aktuelle Forschungsprojekte
Innatale (angeborene) Immunität in der Chirurgie
Unter innataler Immunität kann unter anderem die angeborene Reaktion des Organismus auf Stress subsumiert werden. Stress für das Gewebe kann durch vielerlei Einflüsse bedingt sein. In der Chirurgie ist es aber gerade auch das Operations-Trauma, welches zur Reaktion im Gefolge der Wundheilung, einer narbigen Defektheilung oder einer Restitution ad integrum, also einer vollständigen Regeneration, führen kann. Stress kann auch durch das Einbringen von Implantaten mit der nachfolgenden, obligatorischen Fremdkörperreaktion an der Implantatoberfläche hervorgerufen werden. Eine Stress-Reaktion entwickelt sich aber ebenso in der Umgebung von Tumoren, oft verbunden mit entzündlich verdickten Lymphknoten im Abstromgebiet der extrazellulären Flüssigkeit. Und natürlich ist die innatale Immunantwort mit ihren zahlreichen zellulären Komponenten (unter anderem Monozyten, dentritische Zellen, Natural Killerzellen, B-Lymphozyten, T-Lymphozyten) und interzellulären Mediatoren und Botenstoffen (unter anderem TNF, Interleukine, Wachstumsfaktoren, Komplement-System) mit deren Auswirkungen auf Transkription/ Translation aber auch auf Zell-Migration oder auf Gewebeorganisation im Rahmen einer Organtransplantation oder dem experimentellen Ischämie/Reperfusionsschaden von herausragender Bedeutung. (Abbildung innatale Immunität)
Einige Komponenten der innatalen Immunität (siehe auch Land W. Innate alloimmunity: history and current knowledge. Exp Clin Transplant. 2007 Jun;5(1):575-84. Review.)
Therapeutische Optionen einer modifizierten innatalen Immunität
Ein tieferes Verständnis von den bei der innatalen Immunitätsantwort ablaufenden Prozessen ist mit berechtigten Hoffnungen auf signifikante Therapieverbesserungen verbunden. Zum Beispiel, dass sich das Gewebe, insbesondere die Leber, eher regeneriert, als dass der Defekt fibrös zusammenwächst (oder nicht, wie bei Hernienrezidiven), dass mit bioaktiven Substanzen beschichtete Implantate verträglicher sind, dass Tumore eher lokal fixiert bleiben und weniger leicht metastasieren, oder dass auch vorgeschädigte Organe mit Erfolg transplantiert werden können. Aus der Erkenntnis heraus, dass die innatale Immunität für das pathophysiologische Verständnis und eine therapeutische Intervention gleichermaßen für zahlreiche Gebiete gerade der operativen Medizin von herausragender Bedeutung ist, und deren gemeinsame Erforschung erhebliche Überschneidung bei den eingesetzten Methoden aufweist (unter anderem Molekularbiologische Methoden wie PCR, ELISA, Immunhistochemie, Westernblot, TV zur Gewebereaktion inklusive Modifikation durch Knock-Out spezieller Gene), resultiert der Aufbau der Forschung in der Chirurgischen Klinik in drei sich gegenseitig ab- und unterstützende Schwerpunkte. Ergänzend werden in diesen unter anderen Schwerpunkten die entsprechenden klinischen Aspekte (klinische Datenbanken, eigene Ergebnisse, Literaturübersichten) aufgearbeitet. Einzelne Fragen werden im Rahmen von Drittmittel finanzierten Projekten im Detail geklärt. So werden derzeit laufende Forschungsvorhaben unter anderem von Seiten der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft), des BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) oder der Industrie, unter anderem von Covidien, FEG-Textiltechnik oder Johnson&Johnson unterstützt.
1. Hernie / Wundheilung / Regeneration / Fremdkörperreaktion
Es wird vermutet, dass eine gestörte Wundheilung zumindest mitverantwortlich für das Auftreten einer Anastomoseninsuffizienz oder die Entwicklung einer Narbenhernie/ eines Leistenhernienrezidivs ist (Hernios (griech) = Knospe). Bislang ist unklar, ob diese Störung primär bei den Entzündungszellen oder aber bei den für die Kollagensynthese maßgeblichen Fibroblasten angesiedelt ist. Immerhin deuten zahlreiche Befunde bereits jetzt darauf hin, dass diese Wundkomplikationen nicht allein technisch verursacht sind, sondern eben Ausdruck einer gestörten Reaktion unter anderem des innatalen Immunsystems. In den derzeit laufenden Projekten wird unter anderem versucht, durch Oberflächenmodifikation von Hernien-Netzen die lokale Einheilung zu verbessern, durch Zugabe von Eisenpartikeln die Visualisierung von Meshes in der MRT zu ermöglichen, durch Entwicklung von Fäden mit verringerter Flächenpressung die lokale Nekrose zu vermindern oder durch Optimierung von Klammernahtgeräten die Probleme einer Nachblutung, einer Anastomoseninsuffizienz oder einer Narbenstenose zu verringern.
2. Maligne Tumoren / Tumorimplantation / Metastasierung / Risikoprofil / Response auf Chemotherapie oder Radiotherapie
Die Bezeichnung "Krebs" oder dessen lateinische Übersetzung "carcinoma" rührt vermutlich von Galen, dem die Ähnlichkeit zwischen den Gefäßen eines Tumors und den Krebsbeinen auffiel. Interessanterweise trifft der Terminus Krebs aber auch speziell für einen parasitären Krebs, wie den Rankenfüsser Sacculina zu. Durch fehlende Expression des Abdominal A-Hox-Gens lässt dieser Krebs lange, verzweigte Wurzel-artige Stiele mit zentralem Gefäß in das Wirtstier einwachsen, ohne dass sich der Wirt mit seinem Immunsystem dagegen wehren kann. Durch die expandierenden Möglichkeiten der molekularen Diagnostik lernen wir an diesem Beispiel immer mehr über die molekularen Veränderungen als Ursache oder Folge von Erkrankungen und natürlich auch von Malignomen. Veränderungen, die sowohl auf Seiten des Tumors als auch von Seiten des Empfängerorganismus initiiert sein können, und in zum Teil sehr unterschiedlichen Verläufen resultieren. Aus der Behandlung mit Chemotherapeutika ist schon lange bekannt, dass die Prognose bei "Respondern" wesentlich besser ist, ohne dass wir diese im Vorfeld bereits ausreichend sicher identifizieren können. Dabei wird das Karzinom zunehmend als Folge einer komplexen Interaktion aus aggressiven Wachstumsfördernden/ Apoptose-hemmenden und aus protektiven wachstumshemmenden/ Apoptose-fördernden Faktoren erkannt, die im Einzelnen für eine Therapie oder eine maßgeschneiderte Verfahrenswahl genutzt werden. Für eine patientenorientierte Anti-Tumortherapie unverzichtbar sind die Identifikation von klinischen und molekularen Prognoseparametern im Tumor oder dem umgebenden Gewebe, die Erfassung der Patientenimmunologie als ersten Abwehrmechanismus, und die Synthese dieser Informationen in einem prädiktiven Krankheitsmodell.
3. Transplantation / Ischämie und Reperfusion / Abstoßung / Leberersatztherapie
Die Leber ist ein Organ, welches sich nach einer chirurgischen Resektion in kurzer Zeit regenerieren kann. Die lokale Immunantwort an der Resektionsgrenze initiiert eine Hyperplasie an der Schnittkante, die nach Erreichen der Ausgangsgröße wiederum gestoppt wird. Das Ausmaß der Regenerationsfähigkeit kann allerdings erheblich variieren, insbesondere bei vorgeschädigten Organen. Eine gezielte Verbesserung der Regeneration könnte helfen, auch radikalere Resektionen sicherer gegen das Auftreten eines Leberversagens zu machen. Bei der Transplantation von Organen wird der Gewebeschaden unter anderem von der Ischämiezeit nach Entnahme beeinflusst. Durch Optimierung der Konservierungsbedingungen wird versucht, diesen Schaden zu minimieren. Nach Implantation des Organs kommt es in der Phase der Reperfusion dann zu einer weiteren immunologischen Reaktion auf die nun ausgeschwemmten Mediatoren und Überreste des ischämischen Zellschadens. Die immunologische Antwort im Sinne eines lokalen inflammatorischen Response Syndroms bestimmt wesentlich die Wiederaufnahme der Organfunktion. Aktuelle Studien zeigen deutlich, dass eine Abmilderung der inflammatorischen Triggerung mit einer Reduktion des Reperfusionssschadens verbunden ist.
Im Gegensatz zur Nierenersatztherapie und mittlerweile auch zur Herzersatztherapie stehen derzeit keine praktikablen Alternativen zum längerfristigen Ersatz der Leberfunktion zur Verfügung. Die bisher favorisierten Ansätze mit Hämoperfusion über spezielle Filtersysteme in Kombination mit einer Elimination mit gesonderten Absorbern konnten sich in der klinischen Realität bislang nicht durchsetzen. Allerdings wird intensiv an Bioreaktoren gearbeitet, die unter Einsatz von Stammzellen in hierfür konstruierten Scaffolds die Konstruktion von 3-D Ersatzgewebe erlauben. Dabei ist eine wesentliche Herausforderung, die Zellprogrammierung auch in vitro in Richtung Leberzelle zu lenken und alle störenden immunologischen Einflüsse zu blockieren. In den derzeit laufenden Projekten wird unter anderem versucht, die Leber- Regeneration zu maximieren, den Ischämie-Reperfusions-Schaden durch zeitlich getaktete immunologische Intervention zu reduzieren, Leberunterstützungssysteme durch Leberregeneration im Scaffold zu realisieren.
Unter einem gemeinsamen Fokus auf die innatale Immunität Forschungsstruktur der chirurgischen Klinik mit drei Forschungsschwerpunkten, einer gemeinsamen methodischen Plattform, die problemorientiert durch weitere Methoden beziehungsweise Kooperationen erweitert wird.