Kopf-Hals-Tumor Zentrum Aachen: Interdisziplinäre Therapie, Rehabilitation und Patientenbegleitung

11. EUREGIO-Symposium in Aachen

Am 26.November 2016 lud die Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie zum nunmehr 11. EUREGIO Symposium in der Uniklinik RWTH Aachen ein. Die über 300 Teilnehmer wurden während eines spannenden Tages in die Interdisziplinäre Therapie, die Rehabilitation und die Patientenbegleitung des Kopf-Hals Tumor Zentrums Aachen eingeführt.

An der Uniklinik der RWTH Aachen wurde 2010 das Euregionale Comprehensive Cancer Center Aachen (ECCA) zur Optimierung der Versorgung von Krebspatienten gegründet. Hier werden fach- und institutionsübergreifende Diagnostik, Therapieplanungen und Nachsorge sowie Forschung, Aus-, Fort- und Weiterbildung koordiniert. Teil des ECCA ist das Zentrum für Kopf-Hals-Tumoren, das sich mit der Diagnostik und Therapie von Patienten mit gut- und bösartigen Tumoren von der Schädelbasis bis hin zum unteren Halsbereich beschäftigt.

Im Eröffnungsbeitrag „Was sagen die Leitlinien in Deutschland und in den Niederlanden?“ gewährte Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Peter Kessler, Direktor der Klinik für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie in Maastricht, einen Einblick in die Leitlinien der Tumorbehandlung in den Niederlanden, gefolgt von einem Exkurs in die chirurgische Therapie des Hypopharynx- und Larynxkarzinoms durch Univ.-Prof. Dr. med. Martin Westhofen, der die derzeit zur Verfügung stehenden Operationsmethoden, von der klassischen Chirurgie über endoskopische Verfahren bis hin zur Robotik vorstellte. Er wies besonders darauf hin, dass bei der Wahl der Therapie ein möglichst langfristiger Erhalt der Lebensqualität des Patienten mit Erhalt der Sprech- und Schluckfunktion im Mittelpunkt stehen sollte.

Univ.-Prof. Dr. med. Michael J. Eble referierte über die Möglichkeiten der Strahlentherapie von Kopf-Hals-Tumoren. Die intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) gilt aktuell als Standard in der Strahlentherapie und erlaubt eine ideale Anpassung der Dosis an die individuelle Patientenanatomie, sodass die langfristige Morbidität reduziert werden kann. Zusätzlich erlaubt die Hyperfraktionierung und der „concomitant boost“ eine Dosissteigerung bei verkürzter Behandlungsdauer. Aktuelle Studien belegen, dass die simultane Chemotherapie die 5-Jahres-Überlebensrate um 8,6 Prozent erhöht. Cisplatin und Cetuximab bewirken eine äquivalente Überlebensverbesserung und sind Standard in der definitiven Radiochemotherapie.

Es folgte ein Vortrag über die Medikamentöse Therapie von Kopf-Hals-Tumoren von Univ.-Prof. Dr. med. Tim H. Brümmendorf. Neue Entwicklungen gehen in Richtung molekular zielgerichteter und /oder immuntherapeutischer Verfahren. Hier dienen Antikörper als direkte- oder als Checkpoint-Inhibitoren, die das Tumorwachstum verringern. Ein vielversprechender Ansatz sind small molecule Tyrosinkinase-Inhibitoren, z. B. gegen die PI3-Kinase. Erste Studien zeigen, dass die Überlebensrate unter diesen Therapien deutlich verbessert werden konnte und auch ältere Patienten mit bestehenden Komorbiditäten gut behandelbar sind.

Nach der Möglichkeit des kollegialen Austausches in der ersten Pause folgte ein faszinierender Vortrag von Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Frank Hölzle über die aktuellen Möglichkeiten der funktionellen und ästhetischen Rehabilitation von Tumorpatienten mittels mikrovaskulären Haut- und Knochentransplantaten. Ein besonderes Augenmerk lag hier auf der computerassistierten Operationsplanung und deren Umsetzung mit vorgefertigten „Sägeschablonen“, die die exakten Knochenresektionsgrenzen vorgeben und eine formgenaue knöcherne Rekonstruktion ermöglichen. Schließlich demonstrierte Prof. Hölzle mit einigen Beispielen die Möglichkeiten der implantatprothetischen Rehabilitation von Patienten nach großen Tumoroperationen.

Ein Highlight des Symposiums war der mitreißende Vortrag des langjährigen Vorsitzenden der Hilfsorganisation Interplast Germany e. V., Dr. med André Borsche, über unzählige Einsätze in verschiedensten Regionen der Welt, in denen ein Großteil der Bevölkerung keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hat. Mit Operationsteams, bestehend aus Gast- und lokalen Ärzten wurden unter oftmals sehr einfachen Bedingungen umfangreiche Operationen durchgeführt, um beispielsweise Verbrennungsopfern, Patienten mit angeborenen Deformitäten oder Kriegsopfern zu neuer Lebensqualität zu verhelfen.

Nach einer kulinarischen Stärkung in der Mittagspause folgte der Vortrag von Dr. med. dent. Dirk Elvers über die zahnärztliche Begleitung von Tumorpatienten. Beginnend mit der Fokussuche und der präoperativen Fokussanierung, über die Begleitung während der Bestrahlung in Form von Strahlenschutz- und Fluoridierungsschienen, bis hin zur postoperativen implantatprothetischen Rehabilitation nach §28 Absatz 2 Satz 9 SGB V sowie der engmaschigen postoperativen Kontrolle wird der Patient durch den behandelnden Zahnarzt begleitet und unterstützt.

Im Anschluss referierte Dr. med. Andrea Petermann-Meyer über die Psychoonkologie als wichtigen Bestandteil der Interdisziplinären Zusammenarbeit des Kopf-Hals-Tumorzentrums. Patienten mit Tumoren im Kopf-Hals-Bereich und ihre Angehörigen sind oft hoch belastet. Es gilt die krankheitsbedingten Belastungen und die psychischen Komorbiditäten frühzeitig zu identifizieren und die Patienten in ein psychoonkologisches Betreuungskonzept einzubinden. Für die Tumorpatienten gibt es im Rahmen des ECCA einen Arbeitskreis „Leben mit Krebs“, der regelmäßig Themenabende veranstaltet. Hand in Hand mit dem Konzept der Psychoonkologie geht Silvia Wilm, die Casemanagerin der Mund,- Kiefer- Gesichtschirurgie mit ihrem Credo „Sie sind nicht allein“. Silvia Wilm hob die Wichtigkeit eines Ansprechpartners für die Patienten während der gesamten Zeit der Tumorbehandlung hervor.

Den Tag rundete Univ.-Prof. Dr. med. Roman Rolke mit einem fesselnden Vortrag über die Bedeutung der Palliativmedizin ab. Er betonte besonders, dass die Palliativmedizin nicht mit Sterbemedizin gleichzusetzen ist, vielmehr gilt es, den Patienten während seiner gesamten Tumorerkrankung zu begleiten, die krankheitsbedingten Symptome umfassend zu kontrollieren und den Erhalt der Lebensqualität zu sichern.

Insgesamt erlebten Teilnehmer und Referenten einen spannenden, informativen und erfüllenden Tag. Die fachlichen Diskussionen am Ende jedes einzelnen Vortrages fanden rege Beteiligung. Abschließend wurde von Prof. Hölzle – zur großen Begeisterung aller Anwesenden – die diesjährige Teilnahmegebühr in Form eines Spendenschecks über 5.555 Euro an Dr. Borsche für weitere Einsätze von „Interplast“ überreicht.

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