Dermatochirurgie
Die Kontur defs menschlichen Körpers wird entscheidend durch die Weichgewebsauflage auf der skelettal hartgewebigen Basis bestimmt. Eine harmonische Kontur des Gesichtes sowie des gesamten Körpers trägt zum persönlichen Ausdruck bei und zu der Art und Weise, in der ein Mensch von seinem Gegenüber wahrgenommen wird. Kontinuitätsverluste und großflächige Gewebedefizite im Kopf- und Hals-Bereich können Entstellungen verursachen, welche die Selbstwahrnehmung und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können. Große Weichgewebedefekte im Bereich des äußeren Gesichts entstehen zum Beispiel nach chirurgischer Therapie von komplexen Hauttumoren. Auch altersbedingte Veränderungen können vom Patienten als störend empfunden werden und eine Behandlungsindikation darstellen.
Für die Rekonstruktion von Weichgewebe und die Wiederherstellung einer harmonischen Gesichtskontur gibt es verschiedene Möglichkeiten. Unter dem Begriff Dermatochirurgie werden operative Eingriffe an der Haut sowie an den Hautanhangsgebilden zusammengefasst. Vor allem der hochsensible ästhetische Bereich des Gesichts verlangt hier nach eleganten Exzisions- und Verschlusstechniken, ebenso müssen funktionelle Aspekte wie beispielsweise Lidschluss, Nasenatmung und Mundöffnung berücksichtigt werden.
Gründe für die Exzision von Haut oder Hautanhangsgebilden sind vor allem gut- oder bösartige Neubildungen. Eine Reihe von Hautveränderungen sind ebenso chronisch-entzündlich bedingt. Bei der Behandlung unserer Patienten mit Erkrankungen der Gesichtshaut besteht eine enge Zusammenarbeit mit den Kollegen der Dermatologie, in Hinblick auf Kontrolle, Beratung und Therapie (Link zur Homepage Dermatologie). Als zertifiziertes Kopf-/ Hals-Tumor-Zentrum werden bösartige Hauterkrankungen zudem in unserer zertifizierten interdisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt, so dass gemeinsam mit mehreren Fachdisziplinen über die Therapieempfehlung des Patienten individuell entschieden werden kann.
Im Rahmen der Planung des Eingriffs findet zunächst in unserer Sprechstunde eine individuelle Beratung, Untersuchung und differenzialtherapeutische Aufklärung statt. In Abhängigkeit der Art und Größe der Hautveränderung sowie eventuell vorliegender Grunderkrankungen kann ein Eingriff ambulant oder stationär, in örtlicher Betäubung, Sedierung oder in Vollnarkose stattfinden. Gerade bei größeren Läsionen und unsicherem Verhalten der Hautveränderung wird zunächst eine oberflächliche Probeentnahme in örtlicher Betäubung durchgeführt und diese unter Umständen dann nach Diagnosesicherung um eine radiologische Bildgebung ergänzt, beispielsweise mittels Kontrastmittel-Computertomographie (KM-CT) oder Kontrastmittel-Magnetresonanztomographie (KM-MRT).
Zur Durchführung der Eingriffe verfügt unsere Klinik über entsprechende Operationssäle für Eingriffe in örtlicher Betäubung und Sedierung sowie für größere Eingriffe in Vollnarkose. Ebenfalls sind ambulante Eingriffe in Vollnarkose im ambulanten OP-Zentrum möglich. Nach dem Eingriff wird der Patient engmaschig in unserer Poliklinik bzw. auf unserer Station weiterbetreut. Dabei werden die Wundverhältnisse regelmäßig kontrolliert, die Wundverbände bei Bedarf gewechselt und der Patient wird mit ausreichend Schmerzmitteln und anderen notwendigen Medikamenten versorgt.
Gutartige Hautläsionen im Kopf-/Hals-Bereich
Zu den gutartigen Hautläsionen zählt als Beispiel der melanozytäre Naevus, eine gutartige, fleckförmige Hautveränderung, die sich farblich von der Umgebung unterscheidet und die in etwa jeder Mensch in unterschiedlicher Anzahl und Form besitzt. Melanozytäre Naevi können im allgemeinen unterteilt werden in die Junktions-Naevuszell-Naevi, welche sich in der obersten Hautschicht befinden (Epidermis), den Compound-Naevi (zusammengesetzte Naevi), welche sich der Epidermis und in der darunter liegenden Hautschicht, der Dermis befinden, und den dermalen Naevuszell-Naevi, welche sich ausschließlich in der Dermis befinden. Eine regelmäßige Kontrolle solcher Hautveränderungen beim Hausarzt oder niedergelassenem Dermatologen empfiehlt sich in regelmäßigen Abständen im Rahmen des Hautkrebs-Screenings.
Bei der klinischen Untersuchung wird, vor allem in Hinblick auf die Entstehung von malignen Melanomen, die sogenannte ABCDE-Regel verwendet:
A: Asymmetrie, ist die Hautveränderung symmetrisch oder ist sie unregelmäßig begrenzt?
B: Begrenzung, besteht eine scharfe oder unscharfe, „ausgefranzte“ Begrenzung zur Umgebung? Bestehen eventuell kleine „Satelliten“ in unmittelbarer Umgebung?
C: Colour, wie ist die Hautveränderung coloriert und bestehen Differenzen in der Farbgebung, zum Beispiel schwarz/rot etc.?
D: Durchmesser, ist die Hautveränderung größer als 5 Millimeter bedarf sie einer Kontrolle.
E: Erhabenheit, ist die Hautveränderung wulstig oder aufgeworfen?
Weitere, häufig im Kopf-/ Hals-Bereich auftretende gutartige Hautveränderungen sind Weichteil-Zysten der Haut. Hierzu gehört beispielsweise das Atherom. Atherome sind talggefüllte, zystische Veränderungen unter der Hautoberfläche im Bereich der Unterhaut (Subkutis). Da sie eine Verbindung zur Hautoberfläche haben, neigen sie zur Entzündung mit Abszessbildung. Hier empfiehlt sich die vollständige Exzision bzw. Exstirpation, um rezidivierende Entzündungen zu vermeiden. Andere häufige, benigne Neubildungen der Haut sind zum Beispiel Fibrome, Keratoakanthome, seborrhoische Keratosen und Xanthelome.
Präkanzerosen der Haut
Als Präkanzerosen werden epitheliale Vorläuferläsionen bezeichnet, die das Risiko der bösartigen (malignen) Entartung besitzen. Anhand des Entartungsrisikos unterscheidet man zwischen fakultativen und obligaten Präkanzerosen. Die Wahrscheinlichkeit einer malignen Entartung liegt bei den fakultativen Präkanzerosen unter 30 Prozent, bei obligaten Präkanzerosen liegt die Wahrscheinlichkeit entsprechend über 30 Prozent.
Beispiele für erworbene, fakultative Präkanzerosen der Gesichtshaut sind die aktinische Cheilitis, eine Entzündung der Lippe als Folge einer lebenslangen chronischen UV-Belastung. Diese tritt vor allem im Bereich der Unterlippe auf. Hier besteht das Risiko der malignen Transformation mit Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms. Eine weitere fakultative Präkanzerose der Gesichtshaut ist die aktinische Keratose, eine chronisch entzündliche Verhornungsstörung. Diese tritt vor allem in zunehmendem Alter an sonnenexponierten Stellen wie der Nase, der Stirn, im Bereich der ehemals behaarten Kopfhaut oder an den Ohrmuscheln auf. Hier bedarf es einer regelmäßigen Kontrolle und ggf. der lokalen (Probe-)Exzision.
Eine obligate Präkanzerose der Haut, vor allem der Gesichtshaut, ist die Lentigo maligna mit der Gefahr der Entstehung eines malignen Melanoms. Die Therapie der Wahl ist hier die vollständige Exzision.
Präkanzerosen können angeboren oder erworben sein. Die bereits genannten Präkanzerosen sind erworben. Risikofaktoren für das Entstehen sind hier vor allem die lebenslange UV-Strahlenexposition sowie die in der Vergangenheit stattgefundene Anzahl von Sonnenbränden. Hier tritt ein Summationseffekt auf, es heißt auch: „Die Haut merkt sich alles.“ Eine seltene, angeborene Präkanzerose wäre beispielsweise die Xeroderma pigmentosum, umgangssprachlich Mondscheinkrankheit, eine obligate Präkanzerose der Haut mit Entstehung von Plattenepithelkarzinomen bei Kontakt mit UV-Strahlung.
Bösartige Hautläsionen
Zu den bösartigen Hautläsionen im Kopf-/Hals-Bereich gehört das Basalzellkarzinom, gefolgt vom Plattenepithelkarzinom der Haut und dem malignen Melanom.
Das Basalzellkarzinom, häufig auch Basaliom genannt, ist eine bösartige Neubildung des Stratum basale der Oberhaut (Epidermis). Basalzellen sind sogenannte „Reserve-Zellen“ auf dem Boden der obersten Hautschicht, aus der neue Epithelzellen hervorgehen können. Basalzellkarzinome sind meistens hell und gehören zum sogenannten „weißen Hautkrebs“. Sie haben häufig ein knotiges Aussehen mit zentraler Eindellung (noduläres Basalzellkarzinom), können aber auch ein flächiges Aussehen zeigen wie beispielsweise das superfiziell spreitende Basalzellkarzinom oder wie eine Narbe erscheinen, wie das sklerodermiforme Basalzellkarzinom.
Basalzellkarzinome metastasieren sehr selten. Wie alle bösartigen Tumoren zeigen sie allerdings ein schrankenloses Wachstum, somit auch in die Tiefe und in die benachbarten Strukturen wie das Auge oder das Gehirn. Es empfiehlt sich somit nach Möglichkeit die vollständige Resektion mit einem Sicherheitsabstand von etwa 0,5 - 1 cm. Eine regelmäßige klinische Kontrolle im Rahmen einer Tumornachsorge schließt sich an. Sollte eine chirurgische Therapie nicht oder nur unvollständig möglich sein, besteht alternativ die Möglichkeit der Bestrahlung. Bei fortgeschrittenen Stadien mit Metastasierung besteht die Möglichkeit der medikamentösen Chemotherapie mittels sogenannter Hedgehog-Inhibitoren (Wirkstoff: Vismodegib, Handelsname: Erivedge®).
Plattenepithelkarzinome der Haut
Das sogenannte Plattenepithel besteht aus flachen Zellen an der äußeren Grenzschicht der Haut (verhornt) oder der Schleimhaut (unverhornt). Risikofaktoren für das Entstehen eines Plattenepithelkarzinoms (Synonym: Spinozelluläres Karzinom, Stachelzellkrebs) der Haut sind vor allem im Kopf-/Hals-Bereich ebenso wie beim Basalzellkarzinom UV-Strahlung bei lebenslanger Sonnenlichtexposition. Weitere Risikofaktoren sind ionisierende Strahlung, chronische Entzündungen (z. B. Strahlendermatitis, „Lupus“-Karzinom), Immunsuppression oder eine Exposition gegenüber chemischen Giftstoffen wie beispielsweise Arsen. Viele Viren aus der Gruppe der Warzenviren (Humanes Papilloma-Virus, HPV) können ebenfalls Plattenepithelkarzinome auslösen, vor allem der HPV-Typ 16. Im Gegensatz zu Basalzellkarzinomen, die ebenfalls zum sogenannten „weißen Hautkrebs“ gehören, wachsen Plattenepithelkarzinome der Haut häufig schneller und metastasieren früh, vor allem in die angrenzenden Lymphknoten. Die chirurgische Entfernung erfolgt mit einem Sicherheitsabstand von 1 cm, ggf. mit begleitender Lymphknotenentfernung bzw. Ausräumung von Lymphknotengruppen. Im fortgeschrittenen Stadium kann sich eine Bestrahlung anschließen.
Malignes Melanom
Das maligne Melanom ist ein sehr bösartiger Tumor, der von den pigmentbildenden Zellen (Melanozyten) ausgeht. Ein Risiko bei der Entstehung ist hier wie bei den bereits genannten bösartigen Hauttumoren die lebenslange Sonnenlichtexposition bzw. die Anzahl an stattgefundenen Sonnenbränden. Es gibt verschiedene Arten der malignen Melanome, hierzu gehören das noduläre Melanom, das superfiziell spreitende oder das Lentigo-Maligna-Melanom. Suspekt sind unregelmäßig begrenzte oder erhabene Läsionen, mit Knotenbildung oder mit einem unregelmäßigen Kolorit (siehe ABCDE-Regel im Abschnitt „Gutartige Hautläsionen im Kopf-/Hals-Bereich“). Maligne Melanome metastasieren sehr früh und bevorzugt in die angrenzenden Lymphknoten (lymphogen), aber auch über den Blutweg in entfernte Organe (hämatogen). Bei Bestehen einer verdächtigen Läsion sollte diese nach Möglichkeit vollständig exzidiert werden. Bei Melanomen empfiehlt sich ein Sicherheitsabstand von 1 - 2 cm, abhängig von der Größe und Eindringtiefe des Tumors ggf. mit Entfernung der angrenzenden „Wächter“- Lymphknoten oder auch Lymphknotengruppen. Im fortgeschrittenen Stadium kann sich eine Immuntherapie anschließen (zum Beispiel: Interferon, CTLA4-Antikörper Ipilumumab, PD1-Inhibitor Nivolumab).
In der plastischen Gesichtschirurgie existieren eine Vielzahl von Möglichkeiten, um Defekte im Gesichtsbereich möglichst unauffällig zu verschließen und die Oberflächenkontinuität wiederherzustellen.
Voraussetzung für den Wundverschluss ist, vor allem bei bösartigen Hautveränderungen, die vorausgegangene vollständige Entfernung. Aus diesem Grund werden Eingriffe im Bereich der Haut in unserer Klinik häufig in mehreren Teilschritten durchgeführt, nachdem das zuvor entfernte Gewebepräparat von unseren Kollegen der Pathologie vollständig aufbereitet und unter dem Mikroskop begutachtet wurde. Nach einer vorübergehenden Abdeckung des Defektes mit einer Kunsthaut und einem Verband erfolgt dann eine in der Regel abschließende Operation zum Gewebeverschluss. Eventuell folgen noch kleinere Korrektur-Operationen.
Lokale Verschiebe-Rotationsplastiken
Die Mobilisierung und das Verschieben oder Rotieren von Gewebe im Kopf-/Hals-Bereich zur Deckung von Defekten und Wiederherstellung von Ästhetik und Funktion hat in der Geschichte der Menschheit eine lange Tradition. Erste Berichte zur Rekonstruktion einer „abgeschlagenen“ Nase mithilfe eines Stirnlappens stammen aus der Zeit vor Christi aus Indien. Die Methode der Stirnlappenplastik wird auch heute noch in der Medizin verwendet, auch wenn sich die Indikationen verändert haben. Es bestehen vielfältige Techniken und Varianten, um Gewebe durch lokale Lappenplastiken zu ersetzen. Aufgrund des umfangreichen Verschiebens von Gewebe wird die lokale Lappenplastik häufig in Vollnarkose durchgeführt. Der Nachteil ist eine große Wundfläche sowie prominente und ggf. ausgedehnte Narbenzüge mit dem Risiko des Auftretens von Wundheilungsstörungen, Infektionen oder von Gewebeuntergang. Die Narbenbildung ist in der Regel nach sechs bis zwölf Monaten abgeschlossen, erst dann ist das Ergebnis beurteilbar und eventuell notwendige Korrekturen (Lappenausdünnungen, Narbenkorrekturen) können vorgenommen werden.
Vollhaut-Transplantation
Alternativ besteht die Möglichkeit der Entnahme von Haut aus anderen Körperregionen, beispielsweise aus dem Bereich der Leiste, des Halses, hinter dem Ohr oder dem Oberarm, also von Körperregionen, wo die Haut, anders als im Gesicht, gut verschieblich ist. Hier wird die Haut sichelförmig ausgeschnitten, die Wundränder werden in dem Bereich mobilisiert und wieder zugenäht, so dass eine strichförmige Narbe zurückbleibt. Die entnommene Haut wird von Unterhautgeweberesten befreit und dann auf den zu deckenden Hautdefekt im Gesicht aufgenäht. Anschließend wird ein Druckverband befestigt. Nach etwa 10 – 14 Tagen kann der Verband entfernt und die Fäden entfernt werden. Diese Alternative bietet sich bei Patienten im fortgeschrittenen Alter mit vielen Grunderkrankungen, wenn beispielsweise ein Eingriff in Vollnarkose nicht möglich ist.
Spalthauttransplantation
Bei der Spalthauttransplantation wird, im Vergleich zur Vollhauttransplantation, nur die oberste Schicht der Haut entnommen (ca. 0,4 mm). Die Entnahme erfolgt mit einem entsprechenden Gerät, dem Dermatom. Die Entnahmestelle befindet sich in den meisten Fällen im Bereich des Oberschenkels. Hier entsteht eine breite, flächige Narbe. In der Regel heilt der Defekt in wenigen Wochen ab. Die transplantierte Haut wird, wie bei der Vollhaut, auf den Defekt aufgenäht und mit einem Druckverband für mehrere Tage befestigt.
Der Nachteil der genannten Hauttransplantationen ist das unterschiedliche Hautkolorit im Vergleich zur Umgebung im Bereich des Gesichts.
Bei größeren Defekten besteht in unserer Klinik die Möglichkeit des mikrochirurgischen Gewebetransfers, siehe hierzu „Rekonstruktive Chirurgie“.