Neue Maßstäbe für Nachhaltigkeit in der digitalen Pathologie

Die digitale Pathologie steht an der Spitze medizinischer Innovationen im Bereich der verbesserter Diagnoseverfahren, insbesondere durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). In der Entwicklung der rechen- und damit energie-intensiven KI-Modelle wird typischerweise deren Nachhaltigkeit zugunsten der Genauigkeit vernachlässigt. Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Institut für Pathologie der Uniklinik RWTH Aachen hat nun eine wegweisende Lösung entwickelt, um diagnostische Leistung mit Nachhaltigkeit bereits während der Modell-Entwicklung zu vereinen: den Environmentally Sustainable Performance (ESPer)-Score.

Die Herausforderung: KI und ihr ökologischer Fußabdruck

KI-Modelle erfordern enorme Rechenressourcen, dies ist auch relevant für KI-Modelle, die in der Pathologie angewandt werden. Dies führt zu einem hohen Energiebedarf und damit verbunden hohe CO₂-Emissionen, die je nach Energiequelle stark variieren. Bisher konzentrierte sich die Forschung vor allem auf die Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit von KI-Modellen, während die ökologischen Auswirkungen kaum berücksichtigt wurden. Angesichts des Klimawandels ist es jedoch unerlässlich, ressourcensparsame, nachhaltige Strategien in der Entwicklung und Anwendung solcher Technologien zu implementieren. In einer vorherigen Publikation konnte dieselbe Gruppe bereits zeigen, dass eine ungerichtete Implementierung von KI-Modellen in der Digitalen Pathologie potentiell große ökologische Folgen haben kann.

Der ESPer-Score hilft dabei Modelle nach Nachhaltigkeit und Genauigkeit auszuwählen

In ihrer neuesten Studie haben die Forscherinnen und Forscher den ESPer-Score entwickelt, der erstmals diagnostische Leistung und CO₂-Emissionen eines KI-Modells in einem einzigen Benchmark integriert. Der Score ermöglicht es, KI-Modelle nicht nur nach ihrer Genauigkeit, sondern auch nach ihrem ökologischen Fußabdruck zu bewerten. Das Team testete fünf gängige KI-Modelle, auf zwei diagnostischen Aufgaben: die Klassifizierung von Nierentransplantationserkrankungen und Subtypen von Nierenzellkarzinomen. Während alle Modelle eine akzeptable diagnostische Leistung zeigten, offenbarte der ESPer-Score erhebliche Unterschiede in deren CO₂-Fußabdruck. Dabei konnte ein Modell identifiziert werden, das sogenannte TransMIL-Modell, das eine hohe diagnostische Genauigkeit in beiden Aufgaben mit einem niedrigen CO₂-Fußabdruck kombinierte. Dagegen zeigte ein anderes neuartiges Modell, das sogenannte Foundation-Modell Prov-GigaPath, bei vergleichbarer Leistung eine deutlich höhere Umweltbelastung.

Praktische Ansätze zur Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks

Um die ökologische Nachhaltigkeit weiter zu verbessern, untersuchten die Forscherinnen und Forscher Strategien zur Reduktion des CO₂-Ausstoßes von KI-Modellen. Dazu gehörten Anpassungen der Datenmengen die durch die KI-Modelle analysiert werden müssen, zum Beispiel durch Änderung der Bildauflösung oder eine Reduktion der analysierten Bildbereiche. Diese Maßnahmen zeigten, dass es möglich ist, den Energieverbrauch zu senken, ohne die diagnostische Genauigkeit wesentlich zu beeinträchtigen. 

Warum Nachhaltigkeit in der Medizin zählt

Die kumulierten Auswirkungen des Einsatzes ressourcenintensiver KI-Modelle könnten erheblich zum globalen Klimawandelbeitragen, insbesondere bei einer breiten Implementierung in der klinischen Praxis. Zudem könnte die notwendige große Rechenkapazität ein limitierender Faktor bei einer breitflächigen Implementierung sein. Der ESPer-Score bietet einen neuen Ansatz, um dabei zu helfen, dass der Fortschritt in der medizinischen KI bei gleich oder besser werdenden (diagnostischen) Performance diese nicht auf Kosten der Umwelt geht. Damit trägt er auch zu den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDG 3: Gesundheit und Wohlbefinden sowie SDG 13: Klimaschutz) bei.

Ein Blick in die Zukunft

Der ESPer-Score ist nicht nur ein Werkzeug für die Forschung, sondern auch ein potenzieller Standard für die Industrie und Regulierungsbehörden. Er könnte in Zukunft als Richtlinie für nachhaltige KI-Entwicklung dienen. Die Forscherinnen und Forscher hoffen, dass ihr Ansatz weitere Diskussionen und Innovationen an der Schnittstelle von Technologie und Nachhaltigkeit anstoßen wird.

Weitere Informationen

Die vollständige Studie mit dem Titel „Ecologically sustainable benchmarking of AI models for histopathology“ wurde in NPJ Digital Medicine veröffentlicht und ist unter folgendem Link abrufbar: Ecologically sustainable benchmarking of AI models for histopathology.

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