Drei Fragen zum Immunsystem

Nachgefragt bei Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Lothar Rink

Im Gespräch mit Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Lothar Rink, Direktor des Instituts für Immunoloige an der Uniklinik RWTH Aachen.
 

Herr Prof. Rink, aktuell gibt es eine Welle an RSVInfektionen. Ist das wirklich außergewöhnlich, oder gab es Ähnliches in der Vergangenheit schon? 

Prof. Rink: Es gibt JEDES Jahr eine RSV-Welle. Diese ist allerdings aufgrund der Corona-Maßnahmen in den letzten beiden Jahren fast ausgeblieben. Leider wurden die RSV-Wellen vor der Corona-Pandemie  kaum zur Kenntnis genommen und es gibt immer noch keinen Impfstoff für unsere Kleinsten. Gemäß der S2-Leitlinie ist RSV der am häufigsten nachgewiesene Erreger der unteren Atemwege in den ersten  beiden Lebensjahren. Normalerweise haben im Alter von einem Jahr bereits 50 Prozent der Kinder eine RSV-Infektion durchgemacht, im Alter von zwei Jahren bereits 95 Prozent. Besonders gefährdet sind  Frühgeborene sowie Kinder mit Lungen- oder Herzproblemen. Dieses Jahr ist die RSV-Saison aber ungewöhnlich früh gestartet und die Anzahl der Fälle sehr hoch. 

Kann die aktuelle Welle an Infektionen vielleicht auch etwas mit der Maskenpflicht im Rahmen der Corona-Pandemie zu tun haben? 

Prof. Rink: Beinahe jeder von uns hatte schon RSV. Ein erneuter Kontakt mit geringen Mengen des Virus ist damit ein Booster für das Immunsystem, man frischt die Abwehr gegen RSV auf. Dadurch wird  leichzeitig die Übertragungswahrscheinlichkeit geringer. Eltern schützen also durch ihre Immunität auch ihre Kinder. Denn auch wenn man die Kinder nicht vollständig schützen kann, so sorgt die Immunität der  Eltern zumindest dafür, dass der Erstkontakt der Kinder mit dem Erreger nur mit geringen Virusmengen stattfindet. Damit ist das Immunsystem des Kindes im Vorteil. Nun wurde unser Immunsystem zwei Jahre lang nicht an den Erreger erinnert, da er auch durch die Maske abgehalten wurde. Insofern ist jetzt der Erstkontakt der Kinder mit einer höheren Virusmenge wahrscheinlicher, was zu schwereren Verläufen  führen kann.Wir sehen dies auch bei den Erwachsenen an einem hohen Krankenstand durch Atemwegsinfektionen, da kommt nun alles zusammen, also Coronaviren (die, die wir schon kannten, plus SARS-CoV-2), Influenza, Rhinoviren und RSV.

Wie kann man allgemein sein Immunsystem stärken?

Prof. Rink: Stärken sollte man das Immunsystem nicht. Dann könnte es zu Autoimmunkrankheiten kommen, die ir in der Klinik tatsächlich häufiger sehen als Immundefekte. Das ist also die falsche Frage. Das  Immunsystem unterstützen, damit es seine natürliche Funktion vollkommen ausübt, ist das Gebot der Stunde oder eigentlich immer. Dazu gehören eine gesunde ausgewogene Ernährung, kein Drogenkonsum,  Bewegung, ausreichend Schlaf und Stressabbau. Das Immunsystem ist das Zellsystem im Körper, das sich am schnellsten vermehrt. Es benötigt also Baustoffe, wie Proteine, Zucker und Fette. Vor allem 
Fette und Eiweiße werden bei einigen Trenddiäten oder Ernährungsweisen zu wenig aufgenommen. Dazu kommen dann Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine, die man am besten über Obst und Gemüse,  aber eben auch Fisch oder Fleisch aufnimmt. Veganer und Vegetarier müssen das gegebenenfalls mit Nahrungsergänzungsmitteln ausgleichen. Schlaf ist nicht nur für das Gehirn, sondern auch für das  Immunsystem die Regenerationsphase. Das ist natürlich bei der Arbeit im Schichtbetrieb – wie in einem Krankenhaus – ein Problem. Beim Stress ist es der langanhaltende Stress, der infektionsanfälliger macht. Kurze Stressspitzen sind für das Immunsystem sogar gut. Letztlich braucht das Immunsystem Bewegung, da die Lymphe nur passiv bewegt wird. Um also alles im Körper zu überwachen, muss es  bewegt werden. Dafür genügt ein Spaziergang von 30 Minuten, das aber täglich. Gerade bei sitzenden Tätigkeiten ist dies eine Herausforderung. Ich nehme deshalb in der Uniklinik immer die Treppen. Das schont die Umwelt und hilft meinem Immunsystem. Ein Tipp: Die Stiftung Warentest hat darüber gerade das Buch „Für eine fittes Immunsystem“ herausgegeben.

Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Lothar Rink, Direktor desInstituts für Immunoloige an der Uniklinik RWTH Aachen

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