Scharlach
Wie lösen A Streptokokken die Symptome aus, ist es ein Toxin oder eine immunologische Reaktion?
Die erythrogenen Toxine (Scharlachtoxine, Streptokokken-pyrogenen- Exotoxine = Spe's) wirken sowohl direkt toxisch als sog. "Superantigene" über die übermäßige Aktivierung von sog. T-Zellen (eine Form der weißen Blutkörperchen) als auch offensichtlich über eine erworbene Überempfindlichkeitsreaktion ("delayed-type hypersensitivity"), d. h. das Kind ist irgendwann bereits vorher mit Streptococcus pyogenes (Gruppe A-Streptokokken) in Berührung gekommen (vorher bereits eine Pharyngitis ohne Scharlach-Exanthem). Deswegen sind auch selten Säuglinge und Kleinkinder vor dem Kindergartenalter von Scharlach betroffen.
Haben die Bakterien besondere Eigenschaften, die sie von anderen Bakterienarten unterscheiden?
Die auslösenden Bakterien (Streptococcus pyogenes) haben als eine ihrer besonderen Eigenschaften die Fähigkeit, diese Toxine (verschiedene mit ähnlicher Wirkung, bezeichnet mit Spe A, Spe C und weitere) zu bilden und im Menschen eine massive T-Zellantwort auszulösen. Damit unterscheiden sie sich von anderen beta-hämolysierenden Streptokokken, die zwar auch eine Pharyngitis (Rachenentzündung) auslösen können, jedoch keine typischen Scharlachsymptome (Rash = Hautrötung).
Untersucht Ihr Labor häufig Proben wegen des Verdachtes auf Scharlach oder sind die Symptome eindeutig?
Unser Referenzzentrum untersucht nur im Rahmen von Studien Rachenabstriche von Scharlach-Patienten. Ihre Frage zielt jedoch daraufhin, ob eine spezifische (mikrobiologische) Diagnostik bei den Kindern erforderlich ist. Leider läßt sich eine Streptokokken-Pharyngitis, auch wenn ein Scharlachexanthem vorhanden ist, nicht sicher klinisch diagnostizieren. Wenn in der Umgebung (Kindergarten etc.) jedoch bereits Fälle mit einer typischen Symptomatik vorhanden sind, kann man auf eine mikrobiologische Diagnostik verzichten. Bei Einzelfällen und im Zweifelsfall sollte ein Rachenabstrich - durch Bakterienkultur oder Antigennachweis [Schnelltest] - untersucht werden sowie das CRP (C-reaktives Protein) und die Leukozytenzahl bestimmt werden, um ggf. bei einem negativen Ergebnis dieser Tests die Behandlung mit einem Antibiotikum zu unterlassen.
Ich habe gelesen, dass es in einigen Bundesländern eine Meldepflicht für Scharlach gibt, können Sie mir Zahlen der Erkrankungen nennen? Sind die Erkrankungen zurückgegangen oder haben sie in den letzten Jahren zugenommen?
Aktuelle Zahlen zum Scharlach in Deutschland haben wir nicht gefunden. Als Scharlach noch (nach dem alten Bundesseuchengesetz) in ganz Deutschland meldepflichtig war, wurden (mit hoher Dunkelziffer) ca. 40.000 Fälle jährlich gemeldet. Diese niedrige Zahl ist jedoch für die Epidemiologie unwichtig, sondern entscheidend ist die hohe Zahl von jährlich ca. 1 Mio. bis 1,6 Mio Fällen von Streptokokken-Pharyngitiden - mit oder ohne Scharlachexanthem - in Deutschland (Literatur siehe: Lütticken R. Erkrankungen durch Streptococcus pyogenes - ein Überblick. In: Reinert RR, Hrsg. Streptokokken-Erkrankungen: Prävention, Diagnostik und Therapie. Stuttgart & New York: Georg Thieme Verlag; 2002, S. 11-20 [ISBN 3-13-132571-2]). Über eine Zunahme ist mir daher nichts bekannt, jedoch haben die schweren (septischen) A-Streptokokken-Erkrankungen, die unter dem Bild eine sog. Streptokokken-Toxic-Shock-Syndroms (STSS) verlaufen, weltweit in den letzten 20 Jahren zugenommen.
Gibt es eine Immunität gegen Gruppe A Streptokokken? Wieso reagieren Kinder und Erwachsene so unterschiedlich auf die Streptokokken?
Es gibt eine Immunität gegen A-Streptokokken-Infektionen gegen den jeweils auslösenden sog. M-Typ (ca. 150 verschiedene bekannt). Dies erklärt, weshalb die Häufigkeit der Erkrankung mit zunehmendem Lebensalter abnimmt.
Kann man sich gegen die Krankheit schützen?
Man kann sich bisher nicht gegen die Erkrankung z. B. durch Impfung schützen. Impfstoffe sind in der Entwicklung. Man kann sich / sein Kind jedoch vor den gefährlichen Komplikationen durch eine wirksame Antibiotikatherapie schützen.
Sind Antibiotika die beste Behandlungsmethode?
Es gibt keine zur systemischen Antibiotikabehandlung alternative Behandlungsmethode!
Wie kommt es zu der "Himbeerzunge" und dem weißen Belag?
Die Himbeerzunge entsteht durch die Wirkung der erythrogenen Toxine, genauso wie der Hautauschlag. Weißliche Beläge im Rachen (und gelegentlich auf der Zunge) entstehen durch das Exsudat (Leukozyten u. a.), das aus den Rachenmandeln (Tonsillen) austritt.
Gibt es oft Komplikationen oder auch Todesfälle?
Komplikationen können lokal im Rachen auftreten; gefürchtet ist der sog. Peritonsillarabszeß. Die wichtigste Komplikation ist jedoch das "Akute rheumatische Fieber", das in ca. 3. % der unbehandelten Kinder auftritt. Deswegen ist die Antibiotikabehandlung auch unverzichtbar. Das oben erwähnte STSS ist seltener, es verläuft aber in mindestens 30 % der Fälle tödlich.