Mundschleimhautveränderungen
Die Mundschleimhaut ist einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt, die zu Veränderungen der Oberflächenbeschaffenheit und der Farbgebung führen können. Ursächlich hierfür können neben harmlosen Erkrankungen auch Präkanzerosen (Krebsvorstufen) und bösartige Neubildungen sein. Etwa 5 Prozent aller Tumoren sind im Kopf-Halsbereich lokalisiert. Der Großteil entfällt auf das Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle. Wesentliche Risikofaktoren sind das Rauchen, der Alkoholkonsum und die schlechte Mundhygiene. Verhornungsstörungen der Schleimhaut treten bei Rauchern sechsmal häufiger als bei Nichtrauchern auf. Auch Viren können für die Entwicklung von Karzinomen im Mundbereich verantwortlich sein. Chronisch-mechanische Irritationen, die durch scharfe Zahnkanten und Prothesenränder hervorgerufen werden, sind genauso wie chronische Entzündungszustände wichtige Risikofaktoren.
Da nahezu alle Areale der Mundhöhle für die Diagnostik und Therapie relativ leicht zugänglich sind, bieten sich einem Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen oder einem Zahnarzt günstige Voraussetzungen zur Früherkennung und Diagnostik. In diesem Rahmen können sowohl primäre Tumoren der Mundhöhle entdeckt als auch der Verdacht auf eine systemische Erkrankung anhand der oralen Manifestation erhoben werden. Eine fachärztliche Untersuchung kann natürlich auch dem Erkennen völlig harmloser Veränderungen der Mundschleimhaut dienen.
Mundschleimhautveränderungen können fünf großen Kategorien zugeordnet werden. Zu den natürlichen Variationen, die in aller Regel keine chirurgische Intervention notwendig machen, zählen die Fordyce-Flecken, die Lingua geographica, die Lingua fissurata, die orale Varikosis, das Leuködem und der weiße Schwammnävus.
Epitheliale Veränderungen wie die melanotische Makula, die Rauchermelanose, die Nikotinstomatitis, das traumatische ulzerative Granulom (TUG), Naevi, das Melanom, die Leukoplakie, die Erythro(leuko)plakie, die proliferative verruköse Leukoplakie und das Plattenepithelkarzinom machen hingegen eine engmaschige Kontrolle und eine Biopsie erforderlich.
Bindegewebige Veränderungen werden in reaktiv-proliferierende Veränderungen (hyperplastische Gingivitis, medikamenteninduzierte Gingivahyperplasie, fokale fibröse Hyperplasie, inflammatorische fibröse Hyperplasie, papilläre Hyperplasie, pyogenes Granulom, fibroid-ossifizierende Epulis) und Neoplasien (Hämangiom, Lymphangiom, Lipom, Kaposi-Sarkom) unterteilt. Hier erfolgt entweder eine kausale Therapie der Ursache, die Anwendung einer Lokaltherapie oder eine Exzision.
Lokale und systemische Therapieformen werden auch bei immunvermittelten Veränderungen angewendet. Zu diesen Veränderungen zählen chronisch rezidivierende Aphthen, die Minoraphthe, die Majoraphthe, herpetiforme Aphthen, der orale Lichen planus, das Schleimhautpemphigoid, der Pemphigus vulgaris, das Erythema multiforme, das Stevens-Johnson-Syndrom, die toxische epidermale Nekrolyse und der Lupus erythematodes.
Infektiöse Veränderungen sind die akute primäre Gingivostomatitis herpetica, der rezidivierende orale Herpes simplex, die infektiöse Mononukleose, die orale Haarleukoplakie, die Herpangina, die Hand-Fuß-Mund-Krankheit, Röteln, Masern, Mumps, das Plattenepithelpapillom, die Verruca vulgaris, Condylomata acuminata (Feigwarzen), die multifokale epitheliale Hyperplasie (M. Heck), Scharlach, die oral-zervikofaziale Aktinomykose, die Candidiasis und Candida-assoziierte Läsionen.
Grundsätzlich müssen Mundschleimhautveränderungen so lange als tumorverdächtig eingestuft werden, bis das Gegenteil bewiesen ist. Zur klinischen Verlaufskontrolle empfiehlt sich eine Fotodokumentation. Wenn sich die verdächtige Läsion innerhalb von 2 Wochen nach Ausschaltung der Ursache erkennbar zurückbildet, ist in der Regel keine Biopsie erforderlich. Veränderungen der Mundschleimhaut, die über 2 Wochen nach Behandlungsbeginn persistieren oder eine Größenzunahme verzeichnen, machen eine histopathologische Diagnosesicherung in Form einer Biopsie erforderlich. Abhängig von der Art, Größe und Ausdehnung der Mundschleimhautveränderung erfolgt eine Exzisions- oder Inzisionsbiopsie unter einer örtlichen Betäubung. Im Anschluss erfolgt die histologische Untersuchung durch einen Pathologen. Das Befundergebnis kann in der Regel nach 7 bis 10 Tagen mitgeteilt werden.
Häufige Veränderungen der Mundschleimhaut
Der orale Lichen planus ist häufig, betrifft vor allem Frauen zwischen dem 30. und 65. Lebensjahr und ist häufig im Bereich der Wangenschleimhaut und im Mundvorhof zu finden. Im Gegensatz zum kutanen Lichen neigt der orale Lichen planus zur Chronifizierung. Charakteristisch sind eine erhabene weißliche Streifung (die sog. Wickham-Streifen) auf einem geröteten Grund. Symptomlose Formen werden jährlich kontrolliert. Bei den symptomatischen Formen erfolgt in aller Regel eine Therapie mit Glukokortikoidpräparaten oder Immunsuppressiva.
Chronisch rezidivierende Aphthen sind weit verbreitete Affektionen der Mundschleimhaut. Klinisch zeichnen sie sich durch wiederkehrende rundliche Ulzerationen mit scharfem Rand, gerötetem Randsaum und gelblichem Grund aus. Aphthen werden durch mechanische Mikrotraumata, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, psychischen Stress und gastrointestinale Störungen ausgelöst. Klinisch erfolgt die Unterscheidung in die Minoraphthe, die Majoraphthe und die herpetiforme Aphthe. Minoraphthen treten schubweise in Form mehrerer, druckschmerzhafter Läsionen mit einem Durchmesser < 10 mm auf. Nach Beseitigung der auslösenden Ursache vergehen ca. 2 Wochen bis zur narbenlosen Abheilung. Intensität und Dauer der schmerzhaften Phase können durch anästhesierende Lösungen und Glukokortikoidsalben reduziert werden. Majoraphthen haben einen Läsionsdurchmesser > 10 mm mit tiefer Ulzeration und heilen mit einer Vernarbung ab. Als herpetiforme Aphthen bezeichnet man das Vorhandensein von vielen kleinen Ulzerationen < 5 mm, die sehr schmerzhaft sind. Herpetiforme Aphthen betreffen vor allem Frauen und neigen zur Rezidivierung. In diesem Zusammenhang kann eine systemische Kortikosteroidtherapie erforderlich werden.
Eine melanotische Makula zeichnet sich durch eine < 5 mm messende, bräunliche Pigmentierung der oralen Mukosa aus. Diese wird durch die Überproduktion von Melaningranula verursacht. Ein Melanom sollte durch eine Probenentnahme ausgeschlossen werden. Das Melanom imponiert als dunkelbraune, schwarz-bläuliche Läsion und ist vor allem im Bereich des Hartgaumens lokalisiert. Aufgrund der schlechten Prognose ist hier eine frühzeitige Diagnostik wesentlich.
Krebsvorstufen (Präkanzerosen) der Mundschleimhaut
Eine Präkanzerose ist eine histologisch definierte Gewebeveränderung, die mit einem erhöhten Entartungsrisiko einhergeht. Zu den Präkanzerosen der Mundschleimhaut zählt unter anderem die Leukoplakie.
Leukoplakien werden nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als "weiße, nicht abwischbare, keiner definierten Krankheit zuzuordnende Schleimhautareale" definiert. Die Leukoplakie hat verschiedene klinische Erscheinungsformen. Es werden homogene (ca. 90%) von nicht homogenen (ca. 10%) Leukoplakien unterschieden. Die Leukoplakie gilt im Bereich der Mundhöhle als prämaligne Veränderung und unterliegt je nach Entwicklungsgrad einem erhöhten Risiko, in einen bösartigen Tumor überzugehen. Nach Angaben der Literatur entwickelt sich aus 3 – 8 % aller Leukoplakien innerhalb von 5 Jahren ein Plattenepithelkarzinom. Leukoplakische Mundschleimhautveränderungen bedürfen daher einer fachärztlichen Abklärung und einer Biopsie zum Ausschluss möglicher Differentialdiagnosen.
Erythro(leuko)plakien fallen durch den charakteristischen „roten Fleck“ im Bereich der Mundschleimhaut auf. Die rötlichen Läsionen machen in der Regel keine Beschwerden und sind vor allem im Bereich des Mundbodens, der lateralen und ventralen Zungenflächen, der Wangenschleimhaut und des Weichgaumens lokalisiert. Eine Biopsie zwecks Planung des weiteren Vorgehens ist obligat.
Vorsorge
Grundsätzlich kann eine rechtzeitige, befundgerechte Therapie nur durch einen frühzeitigen Besuch beim Arzt gewährleistet werden. Im Rahmen der individuellen Vorsorge hinsichtlich der Prävention und Früherkennung von Tumoren innerhalb der Mundhöhle gelten die folgenden Empfehlungen:
- Eine regelmäßige Untersuchung beim Hausarzt und Hauszahnarzt ist obligat. Die Krebsfrüherkennung in der Mundhöhle sollte im Rahmen der zahnärztlichen Routineuntersuchung erfolgen. Sie ist sinnvoll, da sich die meisten Veränderungen der Mundschleimhaut durch eine sorgfältige Untersuchung der Mundhöhle frühzeitig diagnostizieren lassen. Die frühe Diagnose bösartiger Mundschleimhautveränderungen ist prognoseverbessernd.
- Es empfiehlt sich der verantwortungsbewusste Umgang mit Genussmitteln wie Tabak und Alkohol. Der Tabakkonsum sollte aufgegeben und der Alkoholkonsum weitgehend reduziert werden. Nikotin- und Alkoholkonsum gelten insbesondere in Kombination als Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung von bösartigen Veränderungen der Mundschleimhaut.
- Eine zielgerichtete, effiziente und regelmäßige Mundhygiene mit handelsüblichen Produkten ist wichtig für eine erfolgreiche Primärprävention.
- Vollwert- und Frischkost sowie Mediterrane Ernährung (frisches Gemüse, Salat, Nüsse, Fisch und Olivenöl) sollten Hauptbestandteile der Ernährung sein. Hier finden Sie eine Ernährungsbroschüre unserer Klinik zum Download.