MFA und ZFA sind das Gesicht der Praxis. Sie sind die ersten, mit denen Patientinnen und Patienten in der Praxis in Kontakt treten. Zunehmend sind sie auch diejenigen, an denen sich Aggressionen und Wut entladen. Studien zeigen: Die Gewalt in Arztpraxen wächst. Seltener ist es gleich körperliche Gewalt, vielmehr sind es verbale Aggressionen, Beschimpfungen oder einfach nur unfreundliches und forderndes Verhalten gegenüber dem Praxispersonal. Der Trend in Richtung Respektlosigkeit bis hin zu roher Gewalt hält seit Jahren an und wurde durch die Pandemie noch verschärft. Maskenpflicht, Coronatests, Impftermine – es gab und gibt viele Gründe, warum die Nerven mancher Patienten in der Praxis zerreißen. Egal ob es nun Coronaleugner sind, die keine Maske tragen möchten, oder Menschen, die den Impftermin nicht abwarten können.
Bundesweite Studie belegt die Gewalt
Die bundesweite Befragungsstudie „Aggression und Gewalt gegen Allgemeinmediziner und praktische Ärzte“ der TU München zeigte schon vor ein paar Jahren auf, dass nahezu alle befragten Hausärzte (92 Prozent) im Laufe ihrer ärztlichen Tätigkeit schon einmal Aggression von Seiten der Patienten erlebten. Leichtere Aggressionsformen wie Beleidigungen und Beschimpfungen bekamen knapp 80 Prozent zu hören. Dabei traf es die Frauen mit 83 Prozent signifikant häufiger als ihre männlichen Kollegen. Von Bedrohung, Einschüchterung, leichter körperlicher Gewalt, sexueller Belästigung, Sachbeschädigung, Diebstahl und Verleumdung auf Arztportalen im Internet berichteten 81 Prozent der Befragten. Einen Angriff mit einem Gegenstand oder einer Waffe, sexuelle Übergriffe oder Stalking erlebten immerhin 23 Prozent der Allgemeinärzte im Laufe ihrer Karriere. Auch wenn für die Studie nur Ärztinnen und Ärzte befragt wurden, die Praxismitarbeiterinnen und -mitarbeiter sind gleichermaßen betroffen. Auch die Polizei bestätigt die zunehmende Gewalt gegen MFA/ZFA und ärztliches Personal. Neben verbalen Angriffen und Handgreiflichkeiten ist vor allem das Phänomen von Hassnachrichten per E-Mail und Telefon auf dem Vormarsch. Ein besonders bekannter Fall ist der der österreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr. Sie wurde so massiv von Coronagegnern bedroht und gestalkt, dass sie sich schließlich das Leben nahm.
Schwierige Entwicklung
Diese extremen Fälle sind zwar selten, zeigen aber, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft entwickelt. Die Individualisierung der Menschen lässt die Kompromissbereitschaft, die Akzeptanz von Regeln und die Bereitschaft für ein geordnetes Miteinander sinken. Der Respekt vor dem anderen ist nicht mehr selbstverständlich und damit geht der Kitt der Gesellschaft verloren. Im Netz ist es einfach, einen rauen Ton anzuschlagen, ungeniert seine Meinung kundzutun – auch wenn diese vielleicht sehr speziell ist. Es macht den Anschein, dass dieses Verhalten nun zunehmend in die Realität überschwappt.